Bad Urach, ein kleiner Kurort in der Schwäbischen Alb, eine gute Zugstunde (inkl. 1x Umsteigen) von Stuttgart entfernt, machte einen recht verschlafenen Eindruck, was allerdings dem freien Tag und dem regnerischen Wetter geschuldet gewesen sein könnte. Bekannt ist der Ort durch die Herbstlichen Musiktage, die in diesem Jahr zum 26. Mal stattfanden.
In diesem Jahr mozartet es allerorten, und so stand auch der besuchte Liederabend unter Motto „Wenn der Freude Tränen fließen“ – allerdings ohne daß man Ausschnitte aus Mozarts „Entführung aus dem Serail“ zu hören bekam. (Genaugenommen handelte es sich auch eher um ein Mozart-Opernkonzert als um einen Liederabend… doch dies nur am Rande.)
Auf dem Programm standen Ausschnitte aus „Idomeneo“ (vor der Pause) sowie „Cosi fan tutte“ und „Don Giovanni“.
Der koreanische Sopran Joo-Hee JUNG (z.Zt. Opernstudio Zürich) erwies sich als echte Entdeckung. Ihre Stimme bestach nicht ausschließlich durch ihre Schönheit. Es ist auch eine ungemein interessante Stimme mit einer Vielzahl an Schattierungen und Variationsmöglichkeiten. Hinzu kam eine ausgeprägte Freude an der Rollengestaltung, die sich auch an diesem Konzertabend nicht verborgen blieb.
Der jungen Künstlerin gelang jede der dargebotenen Rollen, wobei Elettra ihrem Temperament wohl eher entgegenkam als Ilia. Nach der Pause konnte man sich bei Fiordiligis „Come scoglio“ und mehr noch bei den „Don Giovanni“-Ausschnitten mit Joo-Hee Jung als Donna Anna davon überzeugen, welch großes Talent da auf der Bühne stand. Und bei den Zugaben zeigte sich, daß bis zur „Figaro“-Gräfin noch ein bißchen Zeit ist, während Zerlina beim abschließenden „La ci darem la mano“ bereits bombensicher saß und recht kokett gespielt wurde.
Meine letzte Live-Begegnung mit Francisco ARAIZA lag beinahe vier Jahre zurück. Dieser Abend in Bad Urach zeigte, wie schade es ist, daß seine Auftritte inzwischen im Gegensatz zu früher recht dünn gesät sind. Der Sänger befand sich in erfreulich guter Abendform. Bekannte Klippen wurden mittels einer guten Technik umschifft, und auch wenn (nur für die ewigen Nörgler) zweieinhalb Töne nicht perfekt saßen, so war es ein schönes Wiederhören.
Im ersten Teil waren es besonders die Arien des Idomeneo „Vedrommi in torno“ und „Fuor del mar“, die imponierten. Den zweiten Teil begann der Tenor mit „Un aura amorosa“. Man bekam zudem beide Ottavio-Arien zu hören („Dalla sua pace“ als Zugabe) und verstand, weshalb Araizas Interpretation dieser Rolle immer ein Erlebnis war (und ist). Die Donna Anna-Ottavio-Szene ergänzte den überaus positiven Eindruck, und sein Don Giovanni bei der letzten Zugabe (*LOL*) war dem einiger Baritonkollegen durchaus ebenbürtig.
Beeindruckend war auch die Leistung der WÜRTEMBERGISCHEN PHILHARMONIE REUTLINGEN. Unter der erstklassigen Leitung von Fabrice BOLLON zeigte das Orchester sich wesentlich bekannteren Klangkörpern absolut gleichwertig. Dies galt nicht nur für die gespielten Ouvertüren („Idomeneo“, „Don Giovanni“, „Nozze“)und Ballettmusik („Idomeneo“), sondern auch für die ausgesprochen sängerfreundliche, aber trotzdem künstlerisch erstklassige Begleitung der Arien und Duette. AHS
P.S. Wen es auch einmal nach Bad Urach verschlagen sollte, dem sei neben einer Besichtigung der niedlichen, aber kleinen Altstadt dringend auch eine der Amaduskirche, einem wunderschön restaurierten Schmuckstück, empfohlen.