„Macbeth“ – 13. März 2005

„Lady Macbeth“ – Oper in 4 Akten von Giuseppe Verdi

Offenbar kann ich die Zahlen 8 und 9, sowie 0 und 3 nicht auseinanderhalten, sonst hätte ich mitgekriegt, dass die o.e. Aufführung nicht um 19.30, sondern um 18.00 Uhr beginnt, so daß ich wertvolle zwanzig Minuten der Aufführung verpaßt habe. Schande über mich! Aber ist ja nicht das erste Mal…

Dafür war es mein erstes Mal im schönen Staatstheater Braunschweig, wo mich u.a. meine Liebe zum „Macbeth“ hinverschlagen hat. Die dortige Oberspielleiterin Kerstin Maria PÖHLER ließ es sich nicht nehmen, das hochgradig vielschichtige Werk persönlich zu inszenieren. Für meine Verhältnisse war die Umsetzung jedoch viel zu statuarisch und unemotional. Pöhler verlegt die Handlung in ein modernes faschistisches Regime, wo die Hexen am Laptop agieren – zumindest in der zweiten Hexenszene, die erste habe ich ja verpaßt… Das Ganze spielt sich auf zwei Ebenen ab, einmal auf der normalen Bühne (Frank FELLMANN, der auch die angemessenen uniformen Kostüme entwarf), die ohne Requisiten auskommt, und auf der das niedere Fußvolk zu sehen ist, und einmal auf einer Empore, die den Herrschern und dessen Handlangern vorbehalten ist. Dort befindet sich auch ein großer Fernseher, der nach der Ermordung Duncans den Herrscher Macbeth (Big Brother is watching you) zeigt, was jedoch in der Bankettszene sich zu Banco wandelt.

Leider versteift sich die Regie auf die Kritik an derartigen diktatorischen Regimen und dem Thema der Herrschaft im allgemeinen (und erinnerte mich daher etwas an den Hamburger „Nabucco“), vernachlässigt darüber jedoch die Personenführung. Alles in allem ist mir die Regie auch zu ernst, wenngleich die Mörderszene durchaus ihren Humor hat, wenn diese in Geheimagentenkluft gekleidet zuerst ihre Messer zücken, dann aus ihren Aktenkoffern Äpfel holen und diese schälen. Aber gerade die Chorszenen wirken zu statisch.

Macbeth wurde hier vom neuen Ensemblemitglied Jan ZINKLER gesungen (ehemals lange Jahre Comprimario in München). Er konnte mich nicht überzeugen. Zwar war an seiner Phrasierung nichts auszusetzen, und die hohen Töne saßen ebenfalls, die Differenzierung war mein Geschmack aber nicht, außerdem war mir persönlich sein Vortrag zu larmoyant und zu wenig präsent. Hinzu kam ein oftmals sehr verschattetes Timbre und eine furchtbar übertriebene klischeehaft-sächselnde Behandlung der Sprache („sölö ün möttö“). An manchen Stellen dachte ich mir dann „Warum nicht gleich so!?“, aber die waren eindeutig zu wenig. Dafür macht er alle seine Stunts selber (so mußte er sich z.B. einmal von der erwähnten Plattform fallen lassen!). Naja, aber vielleicht lag’s ja auch an der Rolle.

Von ganz anderem Kaliber war da die junge Iordanka DERILOVA (Lady), die sich in meine bislang noch kurze Liste an (kongenialen) Live-Ladies einreiht (Sylvie Valayre in Berlin und Yvonn Füssel-Harris in Lüneburg) – eine konträre gibt’s nicht! Sie ist eine Furiosa wie sie im Buche steht, verfügt über eine sehr große, individuell timbrierte Stimme (Richtung Gheorgiu, aber viel, viel besser!!!), eine stupende Technik und eine blitzsaubere Höhe. Dazu kommt eine unglaubliche stimmliche wie darstellerische Präsenz, sowie ein enormes Wissen um die Partie und deren Tücken. Doch sie hatte auch die nötigen Zwischentöne, so daß ihre Nachtwandelszene derartig packend gesungen (und gespielt!) wurde, daß ich danach erst nach etwa zwei Minuten in der Lage gewesen wäre, zu applaudieren, geschweige denn mich zu bewegen, da sich mein Puls ersteinmal wieder langsam aus dem vierstelligen Bereich runterfahren mußte… Das ging wohl auch vielen anderen so, so daß der Applaus ausblieb – dafür war er nachher um so stärker.

Bei Frank VAN HOVE frage ich mich ernsthaft, ob er nicht besser als Macbeth aufgehoben wäre – ich habe selten einen so hohen Bass gehört… Dennoch sang er einen zufriedenstellenden, sympathischen Banco. Er starb allerdings etwas pathetisch.

Bei Kor-Jan DUSSELJEE (Macduff) kriegte ich im ersten Akt Panik ob seiner Arie im letzten, das war nämlich alles andere als gut. Aber offenbar habe ich mich verhört, oder er braucht Zeit, um sich einzusingen… Wie dem auch sei, der letzte Akt war doch sehr erfreulich. In der Arie phrasierte er sehr schön, neigte weder zum Protzen, noch zum Forcieren oder gar zum larmoyanten Schluchzen und sang noch sehr schöne Schwelltöne gegen Ende. Ob er sich allerdings mit seinen Plänen in Richtung Turiddu/Canio (bei den Eutiner Festspielen – open air wohlgemerkt) einen Gefallen tut, wage ich zu bezweifeln. Ich sehe ihn eher als lyrischen Spinto. Ein solcher ist auch Seung-Hyun KIM, der als Malcolm auf sich aufmerksam machte (singt ja auch alternierend mit Dusseljee den Macduff) und ebenfalls rundum überzeugte.

Sehr toll waren auch die anderen Comprimarii. So sang Mario KLEIN den „Mann aus dem Hintergrund“, sprich 1. Erscheinung, Mörder, Diener und Arzt mit durchschlagendem kernig-kraftvollem Baß (wäre auch eine gute Alternative als Banco). Jennifer CROHNS ließ als Kammerfrau der Lady einen runden, volltönenden Mezzo hören, den ich gerne auch mal in größeren Rollen (Cherubino) hören würde. Sabine BRANDT und Karen Antje VOGEL (beide Choristinnen) sangen die beiden anderen Erscheinungen, ohne groß aufzufallen. Die beiden stummen Rollen wurden von Hans Günther MÜLLER (Duncan) und Luis MÜLLER (Fleance) dargestellt.

Unter der Leitung von dem Noch-GMD Jonas ALBER (er wird seinen Vertrag, der noch bis 2007 läuft, nicht verlängern) spielte das STAATSORCHESTER BRAUNSCHWEIG sehr solide (mit kleinen Patzern). Gelegentlich war mir das Holz (Solo-Oboe) zu laut. Manchmal hätte das Tempo etwas schneller sein können, und ein wenig mehr Brio und Feuer könnte sich auch nicht schaden, aber dennoch war es eine akzeptable Leistung. CHOR und EXTRACHOR des Staatstheaters unter der Leitung von Georg MENSKES absolvierten ihren auch teils sehr anspruchsvollen Part (Hexen!) im besten Sinne des Wortes souverän.

Sehr befremdet war ich jedoch über die Striche – Ballett und Tod von Macbeth ist ja nichts Ungewöhnliches (LEIDER), aber weshalb muß man die einleitenden Phrasen zum Dolchmonolog im ersten Akt streichen????? Ich meine, das sind doch vielleicht fünfzehn Sekunden, wenn’s hochkommt! Außerdem wurde auch in den Hexenszenen fleißig gekürzt, so fehlt der letzte Chor in der zweiten Hexenszene, und in der ersten fehlte mit Sicherheit auch mindestens einer – anders kann ich mir nicht erklären, daß ich, als ich etwa zwanzig Minuten später ins Haus kam, direkt zur Cabaletta der Lady kam.

An dieser Stelle möchte ich mich noch mal ganz herzlich bei den sehr freundlichen Damen an der Kasse bedanken, die uns schon mit den reservierten Karten in der Hand empfingen und uns ohne Probleme reinließen. Das ist nicht selbstverständlich!!! WFS