Manchmal, gerade in diesen Zeiten, findet man über die sozialen Medien Dinge, die man sich angucken kann, die man ohne Twitter, Instagram, Facebook, etc. nicht gefunden hätte.
Im November 2019 erlebte in Belfast Conor Mitchells Oper über Iris Robinson, Ehefrau des nordirischen First Ministers der DUP Ende der Nullerjahrer und wiedergeborene Christin mit sehr extremen Ansichten zu Homosexualität und Ehe, ihre Uraufführung. Iris Robinson zog sich den Haß weiter Teile der Bevölkerung zu, als sie in einem Radiointerview Homosexualität als „Abomination“ bezeichnete, und kurz darauf zwei Männer einen jungen Schwulen halb totprügelten. Passenderweise wurde zwei Jahre später bekannt, daß Iris Robinson eine außereheliche Affäre mit einem Neunzehnjährigen pflegte.
Conor Mitchell hat in seiner Oper letztendlich Original-Zitate zusammengestellt und sodann vertont. Die Musik erinnert an Britten, Eötvös und Kroll, ist also nicht übermäßig atonal, hat aber auch in einem sich langsam zusammenfindenden Ensemble plötzlich verblüffende Ähnlichkeit mit einem Aktfinale einer Rossini-Opera buffa.
Conor MITCHELL hat auch gleich die Regie seines Siebzigminüters übernommen und zeigt hier eine sehr schlüssige Personenregie auf der fast leeren Bühne, auf der nur gelegentlich ein Stuhl, eine Couch oder ein Bett zu sehen sind. Im Hintergrund kann man die echten Persönlichkeiten sehen und ihre Zitate lesen.
Das Stück hat, neben dem Umstand, daß es ein starker Stoff ist, noch mit Rebecca CAINE als Iris Robinson einen echten Trumpf zu bieten. Da singt eine erwachsene Sopranstimme, ohne jemals schrill zu werden, runde Bögen, eigentlich viel zu schön für die Figur, und stellt dazu eine zutiefst zerrissene Figur auf die Bühne. Auch wenn die Oper uns nicht mehr zeigt, wie Robinson stürzt, so ist schon spürbar, daß da jemand nicht das ist, was sie öffentlich darstellen will. Eine ganz große Leistung!
Tony FLYNN spielt Stephen Nolan, den Interviewer, eine reine Sprechrolle, der immer wieder nachfaßt, sehr klar in der Diktion, höflich, aber nicht nachgeben. Es nimmt schon komische Züge an, wenn er vor und nach Robinsons großen Ausbrüchen immer wieder die gleiche Frage stellt, ohne jemals eine Antwort zu bekommen.
Als unterschiedliche nordirische Politiker sind Dawn BURNS, die im Laufe des Abends sich immer mehr steigern darf, Christopher CALL und John PORTER mit sehr guten Leistungen sowie Matthew CAVAN zu hören.
Der exzellente Chor besteht aus James COOPER, Tara GREENE, Caolan KENVENEY, Helenna HOWIE und Connlaoch McDONAGH, dazu ist in einer Tanzszene Richard CHAPELL als Robinsons jugendliche Affäre zu sehen.
Dirigiert wird das BELFAST ENSEMBLE von Tom BRADY animiert und sehr sängerfreundlich. Man würde auch ohne Untertitel jedes Wort verstehen können; nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit bei zeitgenössischen Opern.
Die Produktion wurde gerade zu Recht von der „Irish Times“ als beste Opern-Produktion des Jahres ausgezeichnet. MK