„Tristan und Isolde“ – 14. August 2012

Die „dienstälteste“ Produktion der Bayreuther Festspiele stammt aus dem Jahr 2005. Mit der szenischen Leitung wurde Anna-Sophie MAHLER beauftragt. Das Konzept der Inszenierung von Christoph MARTHALERs Inszenierung ist das Alleinesein in der Liebe. Man ahnt es: Es handelt sich um eine dieser Arbeiten, von denen man im Vorfeld entweder eine sehr interessante Sichtweise oder aber wahrscheinlicher viereinhalb Stunden als modernes Regietheater getarntes Rampensingen erwartet.

Auch wenn man letzteres nicht vollkommen sagen kann, tendiert der Abend doch stark in die Richtung. Der Höhepunkt war als Tristan und Isolde im Liebesduett etwa fünf Minuten einfach in ca. fünf Meter Entfernung nebeneinander standen. Abgesehen von der Tatsache, daß Tristan im letzten Akt quasi museal inklusiv „Besuchern“ aufgebahrt wird und seltenen absurden Zuckungen (vor allem von Kurwenal), die mitunter an die „Klatschspiele“ der Mädchen in der Grundschule erinnern, die wir Jungs nie kapiert haben, könnte man die Handlung in traditionellem Ambiente spielen, ohne daß es groß auffallen würde. Aber man entschied sich für eine herrlich muffige, farblos-graue Nachkriegsausstattung Typ Sperrmüll, in welcher die Protagonisten wohlig warme, weite Wollkleider bzw. biedere Kostüme und Anzüge oder Trachten tragen dürfen. Danke, Anna VIEBROCK, vielen Dank…

Besetzungstechnisch hingegen blieben wenige Wünsche offen. Allen voran glänzte Robert Dean SMITH als Tristan, der zeigte, daß man Wagner am Besten von der „italienischen“ Seite angeht und man diese Musik wirklich singen kann, nein muß. Dabei hilft ihm sicherlich die Tatsache, daß er sich nicht nur im reinen Heldenfach aufhält, sondern auch gerne mal im klassischen Spintofach singt. Ohne unnötige Kraftmeierei präsentierte er einen feinfühligen, eher ein wenig zurückhaltenden Liebhaber. Niemals mußte man Angst haben, daß er die Rolle nicht durchstehen würde. Sein finales „Isolde“ ging durch Mark und Bein.

Diese wurde von der Schwedin Iréne THEORIN auf sehr hohem Niveau gesungen. Stimmlich und technisch voll auf der Höhe machte sie sehr schön die Entwicklung deutlich. Während sie im ersten Akt doch eher schnippisch und hämisch herüber kam, so wirkte sie im 2. zunächst euphorisch vor der Begegnung und dann eher verschüchtert und unsicher im Umgang mit Tristan. Gekrönt wurde ihre Leistung von einem tollen Liebestod.

Relativ frühzeitig sagte Robert Holl den König Marke für die gesamte Serie ab und wurde durch Kwangchul YOUN ersetzt, welcher sein Ausnahmeinstrument in beeindruckender Weise einsetzte, ohne sich nur auf dieses zu verlassen. Er zeichnete ein äußerst differenziertes Portrait eines von seinem besten Freund hintergangenen Mannes.

Weshalb das Publikum von Jukka RASILAINEN (Kurwenal) so begeistert war, wollte mir nicht einleuchten. Seine nicht sonderlich schöne Stimme setzte er vor allem im ersten Akt vorwiegend laut ein, zudem wirkte er rhythmisch teilweise ein wenig unsicher. An seiner Stelle hätte ich lieber Ralf LUKAS gehabt, dessen Melot aufhorchen ließ.

Michelle BREEDTs Brangäne fiel nicht sonderlich auf. Clemens BIEBER (junger Seemann), Martin SNELL (Steuermann) und der aus unerfindlichen Gründen den kompletten 3. Akt auf der Bühne anwesende Hirt von Arnold BEZUYEN ergänzten solide.

Ein absolutes Highlight war das Dirigat von Peter SCHNEINER, der mit dem FESTSPIELORCHESTER einen unglaublich warmen und einfühlsamen Klangteppich erzeugte. Gerade die Streicher waren eine Offenbarung. Die wenigen Passagen, die der FESTSPIELCHOR unter Eberhard FRIEDRICH aus dem Off zu singen hatte, waren ohne Fehl und Tadel.

Die Erkenntnisse des Abends: Auch bei den Bayreuther Festspielen packen diejenigen, die nicht so laut husten wollen wie der eine oder andere Besucher ihre Bonbons gerne knisternd aus. Auch bei den Bayreuther Festspielen wird eine halbe Minute vor Ende geraschelt. Auch bei den Bayreuther Festspielen hat man keinen Sinn dafür, die Musik einfach ausklingen zu lassen und die Stille nach der Aufführung zu genießen. WFS