„Andrea Chenier“ – 13./15. April 2018

Bari besitzt mit dem Teatro Petruzzelli ein von außen schönes, von innen das wohl schönste Opernhaus, in dem wir jemals gewesen sind. Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall, allerdings sollte man dabei beachten, daß die Akustik in den hinteren Reihen des Parketts zwischen merkwürdig und lausig ist. Die Stimmen erklingen verzerrt oder sogar doppelt. Besser sitzt man in einer der deutlich höheren Parkettlogen.

Die Inszenierung, eine Co-Produktion mit Bilbao und dem Festival in Peralada, ist sehenswert. Sie zeigt im Bühnenbild von Ricardo SÁNCHEZ CUERDA und den Kostümen von Gabriela SALAVERRY eine relativ konventionelle Regie von Alfonso ROMERO MORA, schön ausgestattet und mit guter Personenführung. Das Schäferspiel im ersten Akt hatte das Quentchen Lächerlichkeit, was es erträglich macht. Ein beklemmendes Detail war, daß Familiengut von Maddalenas Familie am Ende zum Gefängnis umfunktioniert worden ist, aus welchem sie und Chenier zu ihrer Hinrichtung gebracht werden.

In der Titelrolle sang Martin MUEHLE (im Programmheft konsequent „Muhele“ geschrieben) am 13. April. Sein Chenier fiel zunächst im Spiel dadurch auf, daß er im ersten Akt eine gewisse Arroganz zeigte, die über die Verachtung der adeligen Gesellschaft hinaus auch zeigte, daß dieser Chenier sich ihnen künstlerisch überlegen sieht. Der Tenor zeigte gute Phrasierungen, aber auch einige angestrengte Spitzentöne. Seine Interpretation war jedoch zu keinem Zeitpunkt uninteressant, sondern immer spannend.

Am 15. April sprang dann Hector LOPEZ für den erkrankten Muehle ein und sang den dritten Chenier am vierten Abend, was man hören konnte. Der Tenor phrasierte sich durchaus nicht unintelligent durch die Partie und nahm heikle Töne sehr vorsichtig. Die Rollenauffassung war deutlich konventioneller als die von Muehle.

Svetla VASSILEVA als Maddalena lieferte etliche schrille Töne ab, „La mamma morta“ wurde eher abgeliefert als interpretiert und ein Aufblühen von Phrasen fehlte eigentlich an beiden Abenden komplett. Im Spiel kam sie über Einheitsgesten nicht hinaus, insbesondere war sie nicht in der Lage, irgendeine Form von Entwicklung deutlich zu machen.

Unbestrittener Star der Abende war Claudio SGURA, der einen Carlo Gérard wie aus dem Bilderbuch sang: Gute Phrasierung, wundervolle legati und dazu eine überzeugende Interpretation der Rolle. „Nemico della patria“ war sicherlich der Höhepunkt beider Abende.

Ein Roucher der Sonderklasse war Stefano MARCHISIO, in jeder Sekunde präsent und sehr wohlklingend. Alessandra PALOMBA wirkte als Contessa di Coigny stimmlich und spielerisch überfordert, während sie später als Madelon eine sehr anständige Leistung ablieferte.

Positiv bei den kleineren Rollen fielen Daniela INNAMORATI als Bersi, Nico FRANCHINI als Abate und Alberto COMES als sehr böser Fouquier-Tinville auf. Graziano DE PACE als Schmidt, Gianfranco CAPPELLUTI als Haushofmeister und Claudio MANNINO als Dumas waren rollendeckend, Massimiliano CHIAROLLAs Incroyable und Federico CAVARZAN als Fléville leider das nicht, da waren etliche unschöne Töne zu hören.

CHOR und ORCHESTER DES TEATRO PETRUZZELLI waren engagiert, wenn auch nicht fehlerfrei dabei, von Michela GAMBAs Dirigat gingen nicht so wirklich die großen Akzente aus, immerhin hielt er Bühne und Orchester meist zusammen, was aufgrund der oben geschilderten akustischen Gegebenheiten nicht allzuleicht sein dürfte. MK