„Schwanda, der Dudelsackpfeifer“ – 7. Oktober 2007

Das läßt sich sagen: Juliane Votteler, die neue Intendantin in Augsburg setzt nicht auf alt Bewährtes. Denn wer kennt schon „Schwanda, den Dudelsackpfeifer“ aus dem böhmischen Strakonitz? Dabei war der Oper von Jaromír Weinberger nach ihrer Uraufführung 1927 ein großer Siegeszug beschieden mit ca. 2000 Aufführungen weltweit in den ersten Jahren. Erst danach geriet die Oper des böhmischen Juden, der sich 1967 das Leben nahm, in Vergessenheit.

Allerdings ist man während der über zehnminütigen Ouvertüre beinahe geneigt, gelangweilt auf die Uhr zu sehen. Klare Melodien wechseln sich ab, während derer der Alltag Schwandas und seiner Frau Dorota als stummes Spiel immer gleich abläuft. Die Bedeutung dieses Kunstgriffs von Regisseur Paul CURRAN wird klar, wenn sich Schwanda, der immerhin erst seit einer Woche mit der Frau seines Herzens verheiratet ist, vom edlen Räuber Babinsky überreden läßt, die Königin mit dem eisigen Herzen aufzusuchen und sie durch sein Spiel zu befreien. Welcher Mann in einem Märchen könnte dem widerstehen?

Hier aber bricht Curran mit dem Märchen. Seine Königin ist Protagonistin in einem (Stumm-)Film der zwanziger Jahre, während der langen Verwandlungsmusik baut sich ein ganzes Filmset auf, das so manch einem Augsburger Operngänger ein kurzes Déjà-vu bereitet haben mag. Auch Martinus Oper „Die drei Wünsche“, vor fünf Jahren in Augsburg zu erleben, läßt uns an einer Filmproduktion teilhaben. Nur bei Martinu war es Teil der Handlung, hier ist es Kunstgriff des Regisseurs, sich durch diese Brechung aus der schwierigen Märchensituation zu befreien. Wirkt dies im Filmakt noch etwas unbeholfen, so steigert sich die Produktion stetig. Märchenhafter Filmtrick, wenn das riesige schwingende Beil, das Schwanda, der der Königin leichtfertig die Hochzeit versprach, hinrichten soll, sich in einen Besen verwandelt. Ebenso märchenhaft, wenn Schwanda, endlich wieder daheim eine Lüge schwört, worauf er umgehend mit viel Schwefelrauch in die Hölle fährt.

Dort schaut man bereits amüsiert den entstandenen Film. Und wer sich dort alles tummelt: Jeanne d’Arc, Osama Bin Laden, Hitler, Marlene Dietrich, Mary Stuart nebst „Schwester“ Elizabeth, Kaiser Wilhelm II und und und. Die Stimmung ist eigentlich gut, wenn doch Schwanda nur auf seinem Dudelsack spielen würde. Tut er aber nicht. Derweil macht sich Babinsky aus Liebe zu Dorata auf, Schwandas Seele zu retten, was er mit einem Kartenspiel gegen den Teufel auch zu Wege bringt. Hier zeigt sich der ganze Humor von Weinbergers Musik und die Größe des deutschen Librettos von Max Brod. Der so gerettete Schwanda spielt nun doch in einer irrwitzigen Fugen-Polka zum Tanz auf und darf heim zu seiner geliebten Dorota. Der Volksempfänger spielt ein tschechisches Volkslied, und wenn sie nicht gestorben sind…

Weinbergers Musik ist ein Zitaten- und Als-ob-Schatz, der von Schreker über Dvorák zu Reger und Smetana reicht, nicht zu vergessen die böhmische Folklore. Ein wilder Reigen, der sich trotzdem klar in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts verorten läßt. Rudolf PIEHLMAYER und das PHILHARMONISCHE ORCHESTER AUGSBURG bringen die Musik mit Raffinesse auf den Punkt und die Sängertruppe genießt ihren Einsatz.

Allen voran Johannes Martin KRÄNZLE als freundlich schlitzohriger Schwanda, der allerdings bei der Abgebrühtheit von Tilmann UNGERs Babinsky noch einiges lernen kann, wenn der nicht gerade mit der Höhe seiner Partie kämpfte. Sally DU RANDT läßt etwas das Mädchenhafte vermissen, sowohl in der Darstellung als auch in der Weichheit der Stimme. Kerstin DESCHER überzeugte in der Rolle der „vereisten“ Königin, und Christian TSCHELEBIEW war als Teufel nach seiner Niederlage im Kartenspiel und verlorener halber Hölle ein wahrlich kläglicher Anblick.

Am Ende war gut zu verstehen, was die Faszination des Werkes bei seiner Uraufführung gewesen sein muß, und man hofft auf weitere Wiederentdeckungen in Augsburg. KS