„Die Meistersinger von Nürnberg“ – 4. Juni 2016

Mit dieser Inszenierung räumte der Regisseur David BÖSCH mit allem Verstaubten der mittelalterlichen Meistersinger-Tradition der Nürnberger Handwerker gründlich auf. Er verlegte die Handlung in die fünfziger Jahre, was Pettycoat bei Eva und Rockerkleidung des Ritters Stolzing mit Gitarre bewiesen (Kostümideen von Meentje NIELSEN), Hans Sachs, dessen mittelalterliches Wohnhaus im 2.Weltkrieg nachweislich zerstört wurde, lebt und arbeitet als Wanderschuster in einem dazu umgebauten Lieferwagen, Veit Pogner als vermögender Goldschmied und Juwelier fuhr in einem Riesenschlitten vor (Autos dürfen überhaupt bei den derzeitigen Inszenierungen nicht mehr fehlen). Der Regisseur stellte mit einer sehr guten Personenregie die übrigen Angehörigen der Meistergilde Nürnbergs der Tradition verfallen auf die Bühne, hier besonders auffallend der alte Bäckermeister Kothner, der immer noch als geehrter Merker fungieren durfte. In dieser meisterliche Riege stellte er den ältlichen konservativen Stadtschreiber Beckmesser, sinnlos um Eva werbend , in den Mittelpunkt des Handlungsgeschehens, dessen goldener Anzug beim Vortrag seines gestohlenen Werbelieds so gekleidet ihm auch nichts nützte und ihm nur Lächerlichkeit einbrachte, was in dieser Inszenierung auch zu seinem Selbstmord führte. Gut unterstützt wurde das Handlungsgeschehen durch das im Hintergrund laufende Video von Falko HEROLD.

Die musikalische Seite oblag wieder einmal und glücklicherweise Kirill PETRENKO, dessen dirigierenden Hände einfach begnadet sind. Er vermag jedes Orchester schon bei den Ouvertüren, hier natürlich unser BAYERIScHES STAATSORCHESTER, zu einer Bestleistung zu führen, ebenso gelingt es ihm, die Sänger zu führen und zu Bestleistungen anzuspornen, was an diesem Abend ihm bravourös gelungen ist.

Im Mittelpunkt des Handlungsgeschehens steht natürlich die Rolle des Hans Sachs, die von Wolfgang KOCH in darstellerischer und stimmlicher Bestform auf die Bühne kam, ruhig und souverän mit weichen Baritontönen stellte er diese Figur auf die Bühne, vor allen Dingen in den für den Sachs drei wichtigen Monologen konnte Wolfgang Koch seine stimmliche Bestposition ausleben, die er im Schlußmonolog „Verachtet mir die Meister nicht“ noch bekräftigte. Er könnte mit dieser Leistung der Sachs vom Dienst auf den Bühnen der Welt werden, wie einstmals Eike Wilm SCHULTE als Beckmesser, dem man diesmal die Rolle des Kothners anvertraute; auch mit dieser Rolle des den alten Traditionen anhängenden Bäckermeisters konnte Eike Wilm Schulte das Publikum begeistern.

In der Rolle des Beckmessers konnte man keinen besseren Bariton auf die Bühne stellen als Markus EICHE. Eine sehr gute Wahl. Durch seine nicht nur hervorragende sängerische Leistung, sondern auch durch seine schauspielerischen Fähigkeiten könnte er ebenfalls in die Fußstapfen von Eike Wilm Schulte als Beckmesser auf allen Weltbühnen werden. Christof FISCHESSER in der Vaterrolle des Pogner – elegant und würdevoll mit präzisen sonoren Baßtönen – hier könnte man keine bessere Rollenwahl treffen.

Tochter Eva in der Interpretation von Sara JAKUBIAK machte ihre Sache rollengerecht gut, während der Regisseur der Rolle des Walter von Stolzing den Glanz nahm. Jonas KAUFMANN in dieser Rolle gab sich redliche auch gesangliche Mühe, sie wieder in den Mittelpunkt einer „Meistersinger“-Aufführung zu stellen.

Den Vogel in dieser Inszenierung schoß allerdings Benjamin BRUNS als David ab, darstellerisch und gesanglich perfekt, vor allen Dingen in der Erzählung des 1. Aktes. Allerdings – ein Lehrling besser angezogen als der Meister? Die Magdalene von Okka von der DAMERAU war rollengerecht und bestinterpretiert, herausragend dazu die Kleinstrolle des Nachtwächters von Tareq NAZMI. In den Rollen der weiteren Meister, die alle rollengerecht besetzt waren, sah und hörte man Kevin CONNERS, Christian RIEGER, Ulrich REß, Stefan HEIBACH, Thorsten SCHARNKE, Friedemann RÖHLIG, Peter LOBERT und Christoph STEPHINGER.

In den Massenszenen hatten wir wieder einmal die Besteinstudierung des CHORs und EXTRACHORS DER BAYERISCHEN STAATSOPER von Sören ECKHOFF, in die sich auch die STATISTERIE DER BAYERISCHEN STAATSOPER gut einfügte. Besonders die Rauferei des 2. Akts – einige Statisten mit Affenmaske – war gut herausgearbeitet.

Alles in allem kann man hier von einer gelungenen modernen ansprechenden Regieauffassung sprechen, in der trotz allem Neuen dann letztendlich der vom Komponisten selbst verfaßte und stets schwer verständliche Text doch paßte. Hier war auch das Ende stimmig – trotz Sachsens Hinweis auf das Nichtverachten der Meister verließen Eva und Walter Nürnberg, und Beckmesser verläßt Nürnberg auf seine Weise durch seinen Selbstmord.

Stürmischer Beifall am Ende für die Interpreten. Und doch – irgendwie möchte man doch wieder eine „Meistersinger“-Produktion nach dem Althergebrachten sehen, ist das wohl heute noch möglich?
I.St.