Harry KUPFER, der die Inszenierung dieser russischen Belcanto-Oper übernahm, ist immer ein Garant für ein durchdachtes Regiekonzept, was auch hier voll gelungen ist. Harry Kupfer, der selbst für die Frankfurter Oper zusammen mit Norbert Abels das russische Libretto von Baron von Rosen bearbeitet hatte, verlegte die Handlung des Stücks nach einer wahren Begebenheit in die Zeit des 2. Weltkriegs (das Original beinhaltet einen Krieg zwischen Polen und Russen im zaristischen Rußland – die Oper betitelt sich eigentlich „Ein Leben für den Zaren“). Er stellte russisches Bauern- und deutsches Soldatentum bewußt gegenüber, in dem er den hervorragend einstudierten CHOR DER OPER FRANKFURT (Tilman MICHAEL) jeweils in den einschlägigen Szenen in ihrer Muttersprache singen ließ. Allein schon das Bühnenbild mit Video (Hans SCHAVERNOCH und Thomas REIMER) nebst den Kostümen von Yan TAX entführte uns in ein winterliches Russland um 1944 und konnte schon damit stimmungsvoll in das Handlungsgeschehen einführen, das voll die russische Seele mit unterwürfiger Treue zum Regime wiederspiegelt. Ein russischer patriotischer partisanenfreundlicher Bauer namens Iwan Sussanin führt die hier feindlichen deutschen Soldaten, wohl wissend, daß er sie nicht zum Anführer der russischen Partisanen führt, in ein unwegsames Waldesdickicht, aus dem es weder für ihn noch für den Feind eine Rückkehr gibt. Seinen eigenen Opfertod sah er voraus.
Michail Iwanowitsch Glinka, der in die Zeit der großen italienischen Belcanto-Komponisten wie Rossini, Bellini und Donizetti einzuordnen ist (er lebte von 1804 bis 1857) komponierte hier in Rossini-Nähe ein melodisches musikalisch hochkarätiges Werk mit ausdrucksbetonten Arien für die Sänger und vor allen Dingen großen Chorszenen. Sebastian WEIGLE führte das FRANKFURTER OPERN- UND MUSEUMSORCHESTER belcanto-gerecht durch den Abend und vermochte gerade die Schlußszene mit typisch russisch-orthodoxem Kirchengeläute und Solisten- und Chorfinale sehr gut herauszuarbeiten.
In der Titelrolle war John TOMLINSON zu hören, dem die gesangliche und darstellende Interpretation dieser Partie sehr gut gelang, besonders die Opferszene im Wald vermochte er gut, aber leicht forcierend herauszuarbeiten. Für die Partie der Tochter des Sussanin war die Sopranistin Kateryna KASPER eine sehr gute Wahl, ebenso ihren Liebhaber und Partisanenanführer Bogdan Sobinin mit einem höhensicheren russischen Belcanto-Tenor Anton ROSITSKIY zu besetzen.
Besonders hervorstechend interpretierte die Mezzosopranistin Katharina MAGIERA die Rolle des unglücklichen Sohnes des Sussanin Wanja, mit perfekter stimmlicher Präzision und darstellerischer Intensität ging sie ihre Part an. Ein russischer Bote Michael McCOWN und das Chorsolo von Young Shik KIM fügten sich sängerisch gut ein, während bei den „Deutschen“ Thomas FAULKNER eine gesanglich einwandfreie Studie abgab.
Die Choreografie von Irene KLEIN der Tanzeinlage „Krakowiak“ muß angenehm beurteilt werden.
Diesen Abend in Frankfurt mag man lange in Erinnerung behalten.
I.St.