„Armide“ – 9. März 2014

Nein, Barockopern sind zugegebenermaßen nicht meins. Allerdings ist die Geschichte der Zauberin Armida (bzw. in Christoph Willibald Glucks französischer Interpretation Armide) nicht unspannend und wurde zudem über die Zeiten musikalisch in recht unterschiedlicher Form interpretiert. Die Besetzung (fast) ausschließlich aus dem hauseigenen Ensemble las sich interessant. Mit dem Namen des Regisseurs verband sich keine negative Erinnerung… Also, weshalb nicht doch einmal wieder eine Barockoper?

Daß der Abend über weite Strecken spannend war, ist ganz besonders dem Dirigat zu verdanken. Jan-Michael KRÜGER fand die richtigen Tempi und Nuancen. Für das ungeübte Ohr klang Glucks Musik hier tatsächlich eher nach französischer Oper mit Barockeinfluß. Das PHILHARMONISCHE ORCHESTER hatte einen ausgesprochen guten Tag und spielte sauber sowie mit dem nötigen Elan.

Von den Künstlern auf der Bühne ist zuallererst Wioletta HEBROWSKA zu nennen, die als Hass mit einem großartigen Auftritt überzeugte. Stimmlich jede Sekunde sicher und mit viel Lebhaftigkeit, war es auch ihre Bühnenpräsenz, die in ihrer einzigen Szene sofort überzeugte. Die Allmacht der Figur ließ alles andere drum herum schlagartig verblassen.

Als einziger Gast des Abends fügte sich Sabina MARTIN problemlos in das sie umgebende Ensemble. Ihre Armide besaß stimmliche Eindringlichkeit und Präsenz. Der Sängerin gelang es gut, beide Seiten der Figur glaubwürdig zu präsentieren. Eine insgesamt ausgesprochen hörenswerte Interpretation.

Dem anfangs gegen Armides Künste so standhaften Renaud gab Daniel JENZ einen ausgesprochen glaubhaften Anstrich. Nichts wirkte überzogen. Engagiert und sauber sang der Tenor die Partie ohne sich in Geziertheit zu verlieren. In Gerard QUINNs Händen erhielt Hiradot die notwendige düstere Aura, ohne unsympathisch zu wirken. Die Stimme des Baritons besitzt die notwendige Flexibilität und Zurückhaltung für dieses Fach. Die vertrauten Klangfarben mußte man trotzdem nicht missen.

Steinunn Soffia SKJENSTAD steigert sich mit jeder neuen Produktion, und so klang Phénice an diesem Abend wirklich stimmschön. Ihr zur Seite bewies Evmorfia METAXAKI als Sidonie, was für ein gelungener Coup ihr Engagement ins Lübecker Ensemble gewesen ist.

Steffen KUBACH als Ubalde und Jonghoon YOU als Der Dänische Ritter brachten nach der Pause viel Lebendigkeit in die sonst von Glückseligkeit beherrschte Szenerie. Beide lösten ihre musikalischen wie szenischen Aufgaben gut. Kong Seok CHOI beeindruckte in seinem kurzen Auftritt als Aronte. Mark McCONNELL sang einen schönstimmigen Artémidore. Frauke BECKER (Schäferin), Leonor AMARAL (Dämon) und Annette HÖRLE (Lustgeist) präsentierten das Opernelitestudio von seiner allerbesten Seite.

CHOR und EXTRACHOR zu loben, ist eigentlich zu wenig. Unter der Leitung von Joseph FEIGL haben die Damen und Herren gerade auch in dieser Spielzeit sehr unterschiedliche Herausforderungen so ausgesprochen gut bewältigt, daß das homogene Klangbild an diesem Abend kaum überraschte.

Michael WALLNERs Inszenierung gehört zu den besseren, die in der letzten Zeit auf norddeutschen Bühnen zu sehen waren. Zwar hätte man in der futurisch-abstrakten Kulisse (Bühnenbild: Heinz HAUSER) auch problemlos ‚u‘ von Eef van Breen spielen können, aber es ist dem Produktionsteam zugutezuhalten, daß tatsächlich alle Ebenen der raumgreifenden, drehbaren Spirale auch bespielt werden. Zusammen mit den gut gesetzten Lichteffekten (Falk HAMPEL) entstanden immer wieder neue Räume, die zur jeweiligen Szene paßten. Genau so funktioniert dann auch ein Einheitsbühnenbild.

In einigen Fällen wirkten die Kostüme (Tanja LIEBERMANN) ein wenig willkürlich, und ob die teilweise übermäßig geschminkten Lippen von Armides Gefährtinnen oder ihre bikiniähnlichen Oberteile tatsächlich verführerisch waren, mag ein Mann beurteilen. Sinn macht sicherlich Renauds Gewand, das man als äußeres Zeichen seiner Unentschlossenheit deuten kann. Das für den Hass gewählte Outfit unterstrich den fulminanten Auftritt der Sängerin.

In der Personenführung hätte es – insbesondere zwischen Armide und Renaud – gern noch ein wenig leidenschaftlicher sein können, und gerade im ersten Teil gab es m.E. dann doch etwas viel Rampensingen (eventuell als Reminiszenz an das Barocktheater?). Für das Verstehen der raumgreifenden Gesten der Damen sowie die leicht absurde Galoppimitation im letzten Teil fehlt mir vielleicht einfach der Sinn. Diese Choreographien wirkten irgendwie merkwürdig.

Wesentlich ist jedoch, daß Michael Wallner auf seine Weise stringent die vorgegebene Geschichte erzählt und sich – ausgesprochen angenehm – nicht in wahllosen Deutungsversuchen verzettelt.

Insgesamt ist dies eine gute Produktion insbesondere auch als Einstieg in diese Form der Oper. Das Stück ist nicht zu lang, die Inszenierung weder überkandidelt, noch verkopft. Ein klares „kann man sich ansehen“ also.
AHS