„Der Wildschütz“ – 2. Mai 2014

Unsere Begeisterung darüber, daß Anthony PILAVACHI ausgerechnet Lortzings „Der Wildschütz“ in Szene setzen sollte, war, sagen wir einmal, minimal optimistisch. Einerseits wer, wenn nicht er, sollte dem Stück zu dem dringend benötigten Schwung verhelfen? Andererseits gehört Lortzing nicht wirklich zu unseren Lieblingskomponisten.

Kurz gesagt, Schwung hat diese Produktion, nicht allein durch Pilavachis Regie, sondern auch durch die Sänger – seine Längen hat das Stück für uns leider trotzdem, wofür aber niemand kann.

Die Inszenierung siedelt das Stück irgendwo zwischen Heimatfilm, Operette und Mozarts „Le nozze di Figaro“ an. Der gesamte Abend bewegt sich haarscharf an der Linie zum Haudrauf-Humor, dankenswerterweise ohne diese tatsächlich zu überschreiten.

Der Regisseur hat das Stück zudem nach Ostpreußen in das Jahr 1933 verlegt. Lange denkt man darüber nach, weshalb (dieser eine kurze, wenn auch gute Dialog kann es kaum gewesen sein), bis einem bei der Ensemble-Zeile „Daß eh’ wir schuldbewußt; unschuldig sind wir alle.“ das Lachen im Hals stecken bleibt.

Die leicht verworrene Geschichte um getauschte Identitäten und Beziehungswirren dreht sich zum Einen um den Schulmeister Baculus, der sich für das Festmahl seiner bevorstehenden Hochzeit mit Gretchen erfolglos als Wilddieb profilieren wollte. Zum Anderen geht es um das Beziehungsgeflecht zwischen dem Grafen von Ebersbach, dessen Frau und deren Bruder, wobei letzterer inkognito auf dem Gut als Verwalter agiert, sowie der Schwester des Grafen, die verkleidet anreist, um besagten Bruder der Gräfin, ihren möglichen Bräutigam vorab zu begutachten. Leute, die behaupten Verdis „Trovatore“ oder „Forza“ wären verwirrend, haben den „Wildschütz“ noch nicht gesehen…

Als Schulmeister wandelt Taras KONSHCHENKO die meiste Zeit so leichtfüßig und auch stimmlich leicht über die Bühne, daß dem Zuschauer bei „Fünftausend Taler“ teils ob der kompletten Wandlung der Figur, teils wegen der beeindruckend dunkel und kraftvoll klingenden Stimme der Mund offenstehenbleibt. Leonor AMARAL holte aus ihrer recht plakativen, soubrettig angelegten Partie, was möglich war, und machte aus Gretchen eine Art Flapper der zwanziger Jahre. Das tat der Rolle ebenso gut wie der Punkt, daß ihre Stimme eigentlich schon über dieses Fach hinaus sein dürfte.

Steffen KUBACH verlieh dem Grafen einen Hauch von „Nozze“-Conte, nutzte aber auch seine großen Stärken Komik und Timing, um dem Charakter Tiefe zu geben. Wenigen Sängern ist es gegeben, entsprechende Rollen auch musikalisch gleichzeitig tragisch und saukomisch zu gestalten. Hier hörte man ein perfektes Beispiel. Kaja PLESSING gab eine herrlich verschrobene Gräfin mit Hang zur griechischen Tragödie und jungen Männern. Die Tragik, die sie der Figur jenseits allen Spaßes gab, beeindruckte.

Evmorfia METAXAKI besticht in jeder Rolle. Hier bot sie gleich mehrere in einer Figur dar. Ob als Handwerksbursch, ob als „Unschuld vom Lande“ oder als verwitwete Baronin Freimann – sie schoß schlicht den Vogel ab. Daniel JENZ gestaltete den Baron Kronthal schönstimmig und mit viel Liebe zum humorvollen Charakterisierung.

Dietrich NEUMANN schlurfte als Haushofmeister Pankratius rollenkonform über die Bühne, war aber stets präsent und nicht halb so trottelig wie die Figur auf den ersten Blick scheinen mochte. Annette HÖRLE machte als Kammermädchen der Baronin im Burschenkostüm eine ausgesprochen gute Figur.

CHOR und EXTRACHOR (Leitung: Joseph FEIGL) erfüllten unterstützt vom Kinder- und Jugendchor VOCALINO (Leitung; Gudrun SCHRÖDER) die musikalischen und szenischen Aufgaben perfekt.

Jan-Michael KRÜGER sorgte mit dem PHILHARMONISCHEN ORCHESTER für die solide musikalische Untermalung des Bühnengeschehens.

Das Bühnenbild von Markus MEYER schuf einen perfekten Kontrast zwischen der schulmeisterlichen und der gräflichen Welt. Gerade in der Schloß-Szenerie gab es viele Details zu entdecken. Die Lichtregie (Falk HAMPEL) sorgte für die notwendige Unterstützung der jeweiligen Stimmung und traf den Nagel ebenso auf den Kopf wie die durchweg perfekt passenden Kostüme (Tatjana IVSCHINA).
AHS