„Andrea Chenier“ – 30. Mai 2025

Diese Inszenierung von John DEW hatte ich in ausgesprochen positiver Erinnerung, auch wenn mir einzelne Details entfallen waren. Nach mindestens 25 Jahren war es also an der Zeit, einen Berlinbesuch für eine Wiederentdeckung zu nutzen. Personenregie und Blickwinkel auf die Oper und die historischen Ereignisse funktionieren nach wie vor sehr gut und machten den Abend spannend.

War die Produktion schon immer so bunt??? Gerade für den ersten Akt haben Peter SYKORA (Bühnenbild) und José Manuel VÁZQUEZ (Kostüme) ein Feuerwerk an Farben geschaffen, das den Zuschauer im ersten Moment beinahe erschlägt, im Verlauf des Abends und für die Entwicklung der Produktion aber durchaus Sinn macht.

Gregory KUNDE, in der Titelpartie besetzt, warf bei mir die Frage nach der Verantwortung eines Hauses auf. Weshalb er in dieser stimmlichen Form noch versucht, solche Partien zu singen, ist mir schleierhaft. Gut gebucht ist er in nächster Zeit jedenfalls.

Ihm zur Seite konnte auch Sondra RADVANOVSKY als Maddalena mich nicht überzeugen. Im ersten Akt zu kindisch, später überdramatisierend, kam bei mir keinerlei Sympathie für die Figur auf. Die Stimme schien der einen oder anderen Herausforderung nicht zu 100% gewachsen. Begeistert gefeiert wurden sie und ihr Partner trotzdem frenetisch.

Aus ganz anderem Holz scheint Pavel YANKOVSKY geschnitzt. Sein Gérard macht eine überaus glaubwürdige Entwicklung durch, die in seinem meisterlich gesungenen „Nemico della patria“ gipfelt. Klang und Farbenreichtum seiner Stimme kommen auch im italienischen Fach ausgesprochen gut zum Tragen. Ein sehr gelungenes Debüt an der DOB und nach dem kürzlichen Auftritten in Hamburg die nächste Facette, die neugierig auf weitere Rollen im Repertoire des Baritons macht.

Burkhard ULRICH gehört zu den besten Besetzungen des Incroyable, die ich bisher gehört habe. Die Figur ist unangenehm, ja, aber dabei nie unglaubwürdig oder übertrieben. Eine pointiert gesungene und erstklassig entwickelte Studie eines typischen, stets auf das eigene Überleben fokussierten Mitläufers.

Wirklich überraschend war für mich wie exzellent man an der DOB aktuell die kleineren Rollen besetzen kann. Nicole PICCOLOMINI (Contessa) wirkte zwar mehr als Maddalenas Schwester denn ihre Mutter, war sowohl stimmlich als auch darstellerisch aber überaus präsent und der Mittelpunkt des ersten Aktes. Ihr zur Seite begeisterten Philipp JEKAL, von dem man in Zukunft unbedingt mehr hören möchte, als Fléville, und Kangyoon Shine LEE als herrlich stiesliger Abbé.

Jennifer LARMORE ist als Madelon natürlich eine absolute Luxusbesetzung. Sie legte aber auch alles an Emotion und gesanglichem Feingefühl in ihren kurzen Auftritt. Jared WERLEIN nutzte seinen Kurzauftritt als Fouquier-Tinville für eine überzeugende Präsentation.

Dazu ergänzten Arianna MANGANELLO als sehr lebendige Bersi, Padraic ROWAN (Roucher), Michael BACHTADZE (Matthieu), Stephen MARSH (Haushofmeister/Dumas) und Byung Gil KIM mit einem kurzen, aber nicht uninteressanten Kurzauftritt als Gefängniswärter.

Der CHOR (Leitung: Jeremy BINES) lieferte einen erstklassigen Auftritt. Ob bunt gewandeter Adel oder revolutionärer Pöbel auf den Pariser Straßen präsentierte man sich auf bestem Niveau.

Axel KOBER leitete den Abend mit viel Gespür für Verismo und Sujet. Das ORCHESTER der DOB hatte mit ihm am Pult einen grandiosen Abend. AHS