E sogno? O realtà? – wer es an diesem Samstagabend trotz Hafengeburtstag, diversen Baustellen und dem HSV-Kampf um den Aufstieg in die Hamburgische Staatsoper geschafft hatte, wurde mit einem Abend voller Opernmagie belohnt.
Als strahlender Mittelpunkt des vorletzten Abends dieser Serie erlebte man Elena GUSEVA als Lisa und Najmiddin MAVLYANOV als Herman. Ihre gesangliche Harmonie ergänzt mit einer scheinbar blinden Vertrautheit im Spiel rissen das Publikum zu Recht zu Begeisterungsstürmen hin.
Lisa, die ihre Seele aus tiefer Verwurzelung in der Konvention befreit und ihr Herz mit jeder Faser an Herman hängt, war unglaublich bildhaft gestaltet und perfekt gesungen. Elena Guseva gehört zu den wandlungsfähigsten Sängerinnen ihrer Generation. Bei der Striktheit und der der Figur angepaßten Haltung und dem entsprechenden Gebaren, mit denen die Rolle präsentiert wurde, mochte man kaum glauben, daß man die gleiche Sängerin erlebte, die bereits im „Trittico“ so sehr begeisterte.
Najmiddin Mavlyanov singt die aberwitzigsten Partien, als ohne jemals angestrengt zu klingen. Seine Stimme besitzt die notwendige Durchschlagskraft ebenso wie einen ausgesprochen schönen, warmen und über alle Lagen harmonischen Klang. Höchst fokussiert auf die Rolle überzeugte er auch in der Darstellung. Schleichend, aber anschaulich vollzog sich der Wandel des verliebten Offiziers zum skrupellosen Glücksjäger. Hermans Schlußarie über Leben und Spiel berührte tief.
Elena ZAREMBA bot in jedem Augenblick eine perfekte Interpretation der Gräfin. Stimmlich ist sie weit von der glaubhaft so herrisch wie mürrisch über die Bühne wandelnden alten Frau, die mit Adleraugen über Lisa wacht, entfernt. Ihre Interpretation der Grétry-Arie im zweiten Akt war dafür exemplarisch. Den Spaß beim Herumscheuchen ihres Haushalts gönnte man ihr von Herzen, wie man dank ihrer auf den Punkt gebrachten Darbietung auch die Wehmut an vergangene Zeiten gut nachvollziehen konnte.
Ausgesprochen interessant die Erstbegegnung mit Pavel YANKOVSKY. Der Sänger besitzt einen volltönenden, feintimbrierten Bariton. Seine darstellerische Agilität spiegelte sich in seiner gesanglichen Darbietung. Tomskys Solostellen gerieten so zu Kabinettstückchen, die augenzwinkernd voller Ironie, aber stets aristokratisch angemessenem dargeboten wurden.
Alexey BOGDANCHIKOV verabschiedet sich mit dieser Produktion als Hamburger Ensemblemitglied. Sein Jeletzky war diesmal mehr als nur eine schön gesungene Arie. Der Fürst verließ dabei die Pfade gesellschaftlicher Konvention, um Lisa seine Gefühle nicht nur mit schönen Worten, sondern auch stimmlich variantenreich sowie durch kurze Berührungen zu offenbaren. Genau das machte seinen unübersehbaren Groll gegen Herman in der letzten Szene dann besonders glaubhaft.
Kai RÜÜTEL-PAJULA als Pauline präsentierte sich bestmöglich im Duett mit Lisa und insbesondere aber auch während ihrer so fein- wie warmstimmig gesungenen Romanze. Die kurzen Auftritte von Annette VOGT (Mascha) ließen auf größere Aufgaben hoffen.
Paul CURIEVICI (Czekalinsky), David Minseok KANG (Ssurin), Andre NEVANS (Tschaplitzky) und Roman ASTAKHOV (Narumoff) ergänzten, jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten, als quicklebendiges Ensemble.
Der CHOR (Leitung: Christian GÜNTHER) hatte eine echte Sternstunde – die Damen nicht nur als Haushalt der Gräfin, die Herren insbesondere auch als kartenspielende Offiziershorde.
Abgerundet wurde der Abend durch eine fulminante Orchesterleistung. Die musikalische Leitung durch Graeme JENKINS bescherte den Zuhörern diesmal mit angemessenen Tempi, imposant gespielten Bögen und Ausbrüchen sowie feingliedrigen leisen Tönen das ganz große Tschaikowski-Erlebnis. AHS