Puccinis Wild-West-Oper inspirierte nicht nur Andrew Lloyd Webber musikalisch zu Teilen seines „Phantoms“, sondern auch Kay LINK zu einer sehr stimmigen und zum Nachdenken anregenden Inszenierung.
Er verlegt das Geschehen in die 1970-Jahre in eine Dioramen-Show. In selbigen werden naturgemäß stark vereinfachte Ausschnitte gezeigt. Diese Kleinbühnen auf der Bühne sind daher den Klischees, den Verknappungen vorbehalten. Die lebenden Darsteller dieser Dioramen treten aus diesen hervor, um Pause von ihrem Job zu machen und sind entsprechend in ihrem (semi-)privaten Umfeld, bzw. wechseln passend zur Handlung in diese zurück, wie z.B. als Minnie gegen Ende des ersten Aktes Dick ihre Minderwertigkeitskomplexe offenbart, und dieser platt erwidert, dass sie doch schön wie ein Engel sei.
Der große Clou an der Inszenierung ist jedoch das omnipräsente Mädchen, passend zurückhaltend beobachtend dargestellt in dieser Aufführung von Lea SEIDENSTICKER. Üblicherweise empfinde ich solche Einfälle als unverständlich bis nervend. Hier jedoch stellt sich für mich die Frage, ob das Mädchen nicht eigentlich entweder die Tochter von Minnie sein soll, die von Ihrer Mutter die Geschichte ihrer Eltern geschildert bekommt, oder die Handlung quasi ein Brief der älteren Minnie an ihr jüngeres Ich sein soll.
Beides ist spannend gerade vor dem Hintergrund, dass die Siebziger-Jahre von gewaltigen gesellschaftlichen Umbrüchen geprägt waren wie sexuelle Freiheit und Feminismus-Bewegung. Zudem wäre Minnie nach diesen Betrachtungsweisen in ihrem Alter gewesen, als die Rassentrennung in Amerika gesetzlich abgeschafft wurde. Ob das die Intention des Regisseurs war, wäre mir nicht bekannt, aber die Tatsache, dass er solche Gedankengänge ermöglicht, spricht für die Produktion!
Katrin HIERONIMUS gestaltete das Bühnenbild stimmig. Die Kostüme von Jule DOHRN-VON ROSSUM fügten sich gut in das Konzept ein, wobei sich mir die Frage stellt, welches Material sie für Dicks tadellose Kleidung im dritten Akt verwendet hat. Gemäß des „Schatten-Videos“ im (gewollten?) B-Movie-Stil von Nikolay SCHRÖDER wurde er nicht so pfleglich behandelt.
Ji-Woon KIM (Dick) verfügt über eine schöne, voluminöse Stimme. Er hat eigentlich nichts falsch gemacht, mir fehlte jedoch die rechte Identifikation mit der Rolle.
Eleonore MARGUERREs Minnie war da von einem ganz anderen Kaliber. Ihr gelingt eine ausgesprochen plastische Interpretation dieser einerseits gestandenen und äußerst durchsetzungsfähigen, aber zugleich zutiefst verunsicherten Frau. Zudem ist sie eine herausragende Darstellerin. Ihr Blick zum Mädchen, als sie sich fragt, was aus ihr hätte werden können, sprach Bände.
Mit Jonah SPUNGINs herrlich knorrigem Jack Rance ist definitiv nicht gut Kirschen essen. Die letzte Detmolder „Tosca“ ist übrigens nach meinen Recherchen sieben Jahre her. Nur mal so als Hinweis.
Die „Fanciulla“ ist eine Ensemble-Oper und dieses präsentierte sich auf sehr hohem Niveau. Jaime MONDACA GALAS empfahl sich stimmlich wie darstellerisch als mafiöser Ashby für größere Rollen. Andreas JÖREN überzeugte als Sonora und Stephen CHAMBERS konnte sich als Nick profilieren.
Die Opernstudio-Mitglieder Franziska PFALZGRAF (Wowkle), Hojin CHUNG (Billy) und Euichan JEONG als Jake Wallace hätten gerne noch länger singen dürfen.
Die restlichen Rollen wurden ohne Fehl und Tadel mit Spiel- und Sangesfreude verkörpert von: Nikos STRIEZEL (Trin), Florian ZANGER (Sid), Ognjen MILIVOJSA (Bello), Felix SCHMIDT (Harry), Lifan YANG (Joe), Bioh JANG/ (Happy), Torsten LÜCK (Larkens) und Franco OPORTUS VERGARA (José Castro).
Per-Otto JOHANNSON ließ die DETMOLDER SYMPHONIKER eher subtil, aber nicht minder effektvoll schwelgen. Auch der CHOR und EXTRACHOR unter Francesco DAMIANI präsentierte sich in sehr guter Verfassung. WFS