„Maria Stuart“ – 9. Oktober 2024

Ich glaube, da ist ein Versehen passiert. Der Regisseur scheint statt den historischen Ereignissen, Schillers Stück oder Donizettis Oper Heinz Erhardts Gedicht „Mary und Lisa“ auf die Bühne gebracht zu haben. Anders kann ich mir leider den Drang, die beiden Hauptfiguren als verwöhnte, hirnlose Bälger, die sich aufgrund von in der Kindheit angelegter Rivalität à la „Du hast aber das Fahrrad bekommen“ auf die Bühne stellen zu wollen, nicht erklären.

Ernsthaft, wir haben hier ein Stück über zwei starke, mächtige Frauen, die für ihre Epoche prägend waren. Anstatt sie ernst zu nehmen in ihrem Kampf um Macht, Liebe und Leben macht der (männliche) Regisseur sie zu klischeebeladenen Witzfiguren in einer Weise, bei der sich die Frage stellt, ob die Inszenierung wohl bei der Geschichte zweier Könige ähnlich ausgesehen hätte. Da die drei Männerrollen nicht konsequent der Lächerlichkeit preisgegeben werden, kann die Antwort nur „Nein“ lauten. Sogar in der Schlußszene, in welcher Maria offenbar als Mutter Gottes dargestellt werden soll – in einer Weise, die man nur als übelsten Katholen-Kitsch bezeichnen kann – scheint der Regisseur nicht in der Lage zu sein, den Frauenfiguren Würde zu belassen. Für ihn scheint es nur Zicke oder Heilige zu geben.

Wenn ich, deren Sympathien für die historische Mary Queen of Scots sehr begrenzt sind, hinterher sage, das habe sie nicht verdient, ist etwas gewaltig schiefgelaufen.

Dabei hätte es ein großartiger Abend werden können. Die Bühne (Kathrin KEGLER nach einer Idee des verstorbenen Roy SPAHN) und die Kostüme (Luzie NEHLS-NEUHAUS) waren sehr passend.

Das ALLEE THEATER ENSEMBLE unter Ettore PRANDI war in guter Form und bemühte sich redlich, das Stück wenigstens musikalisch stattfinden zu lassen, was auch aufgrund der durchweg guten Besetzung gelang.

Da stand mit Luminita ANDREI als Maria Stuart praktisch eine Idealbesetzung auf der Bühne, sicher in den Koloraturen, mit wunderschönen pianissimi, guter Phrasierung trotz der holprigen deutschen Fassung und bis zum Ende glaubhaft unbesiegt. Feline KNABE als Elisabeth war ihr ebenbürtig mit großformatigem Mezzo und der Autorität in der Stimme, die ihr die Regie verweigerte. Beiden hätte man gewünscht, daß die Regie sie einfach hätte machen lassen, dann wäre ihre Begegnungsszene sicherlich unvergeßlich geworden und hätte sich nahtlos in berühmte Maria/Elisabeth-Paarungen der Vergangenheit eingereiht.

Als Leicester war Berus KOMARCHELA gut besetzt, stimmlich tadellos und glaubwürdig in seinem Zwiespalt zwischen Gefühl und Pflicht. Titus Witt als Talbot, hier entgegen dem Orignaltext ein eher undurchsichtiger Charakter, war stimmlich ebenfalls unangefochten.

Ferdinand KRUMBÜGEL als Cecil war sogar eine Entdeckung, wie er fern von jeder Brunnenvergifterattitüde die Fäden zog und dabei stimmlich aufhorchen ließ. Susanne LICHTENBERG als Anna ergänzte auf gutem Niveau.

Was wäre das für ein Abend geworden, wäre er halbszenisch in italienischer Sprache gewesen! So überwiegt leider der Ärger über eine verpaßte Gelegenheit. MK