Die Vorbereitungen für diese Inszenierung traf noch der 2021 verstorbene Graham VICK. Sam BROWN sorgte dann dafür, daß die Produktion tatsächlich umgesetzt und auf die Bühne kam.
Das Konzept ist gar nicht mal so unclever. Schon in der Kindheit ist Hermann der verachtete Außenseiter, der nur einen mitgenommenen Teddybär hat, im Gegensatz zu den adeligen Kindern mit ihren teuren Spielzeugen und Puppen. Der kleine Hermann wird mißhandelt und verspottet, etwas das sich in seinem Erwachsenenleben fortsetzt. Nur Lisa hat ihm einen kurzen Moment der Aufmerksamkeit geschenkt, prompt ist er in einer Weise besessen von ihr, was man aus Krimis von Stalkern kennt. Lisa ist selbst ein unsicheres, eigentlich unauffälliges Mädchen, was vielleicht aus deswegen auf Hermann fliegt, weil er der erste ist, der sie im Schatten ihrer Übergroßmutter bemerkt, die vom Grafen von Saint-Germain nicht nur das Geheimnis der der Karten, sondern auch das der ewigen Jugend erlangt haben dürfte.
Das ist alles sehr stringent und nachvollziehbar erzählt. Aus welchem Grund es allerdings notwendig erschien, im letzten Bild ein vierköpfiges Ballett von Männern in Korsagen auf die Bühne zu bringen (Choreographie: Ron HOWELL), erschließt sich nicht. Es trägt aus nichts zur erzählten Geschichte bei.
Die Ausstattung von Stuart NUNN ist zweckmäßig, passend, die Kostüme sind ansehnlich.
Der Hauptgrund, aus welchem das Konzept nicht ausgeht, liegt in der Besetzung der Lisa mit Sondra RADVANOVSKY, die weder als Figur den Kampf der lange übersehenen Frau, endlich gesehen zu werden, deutlich machen konnte, noch stimmlich den langen Bögen und dramatischen Ausbrüchen gerecht wurde. Sie klang matt, und ihre Szene an der Newa zog sich endlich dahin.
Martin MUEHLE hat als Hermann alle notwendigen Töne für die Rolle, er klingt auch nicht angestrengt. Was allerdings fehlt, ist eine richtige Identifikation mit der Rolle, da hätte man sich ein tieferes Verständnis gewünscht. Möglicherweise lag das aber auch an seiner Partnerin, von der wenig zurückkam, denn in den Szenen mit der Gräfin war er deutlich präsenter.
Diese wurde, einspringend, von Nicola PICCOLOMINI, verkörpert, ansonsten in dieser Serie als Gouvernante eingesetzt. Das stimmte wirklich alles, die stimmliche Leistung mit ungewohnt, für diese Rolle, jugendlichem Mezzo, die Figur als eine Mischung aus Mrs. Robinson, Norma Desmond, femme fatale aus einem film noir und Todesengel; Hermann hatte keine Chance.
Dean MURPHY als Jeletzkij war leider zu wenig präsent, um einen wirklichen Gegenpol zu Hermann darzustellen, seine Arie blieb nicht in Erinnerung und zeigte zudem auch noch stimmliche Schwächen.
Für Graf Tomskij bot Lucio GALLO mehr Bühnenpräsenz und Stimmkraft auf, als man dies in dieser Rolle gewöhnt ist, die Erzählung von den drei Karten war fesselnd, und man verstand, warum dies Hermann sich derartig ins Gehirn brannte.
Die kleineren Rollen waren durch die Bank großartig besetzt, allen voran Chance JONAS-O’TOOLE als Tschkalinskij und Kyle MILLER als Ssurin, beide Stipendiaten, die kaum zu übertreffen sein dürften in Gesang und Präsenz. Dazu Andrew DICKINSON (Tschaplitzkji), Michael BACHADZE (Narumow) und Jörg SCHÖRNER (Zeremonienmeister), die das hohe Niveau ebenso hielten wie Maria BREREZOVSKA als Gouvernante und vor allem ARIANNA MANGANELLO als Mascha. Dazu war Karis TUCKER eine grandiose Paulina, die ohne Mühe den Beginn des zweiten Bildes dominierte.
Sebastian WEIGLE zeigte am Pult des tadellos spielenden ORCHESTER DER DEUTSCHEN OPER die vielen Emotionen der Partitur sehr gut auf, daß er zu analytisch an das Stück heranging, wie in einer Kritik zu lesen war, konnte hier nicht festgestellt werden. Der CHOR war bei den Frauen deutlich besser als bei den Herren (Leitung Jeremy BINES), der KINDERCHOR (Leitung Christian LINDHORST) erfüllte seine Aufgaben durchgehen gut. MK
P.S.: Die wichtige Frage, welche die Inszenierung leider nicht beantwortet, ist was eigentlich am Ende aus Hermanns, armen geschundenem Teddy wird, nachdem er zunächst ein nettes Pärchen mit Lisas Puppe bilden darf.