Edinburgh Fringe ohne Gilbert & Sullivan geht für uns nicht. Da man deren Stücke in Deutschland ja so gut wie nie auf der Bühne erleben kann, gehört es dazu, mindestens ein Stück der beiden zu erleben. Dieses Mal waren es sogar zwei, neben den bekannteren „Pirates of Penzance“ der „Sorcerer“ in einer Produktion der Gilbert and Sullivan Society der University St. Andrews. Alle Beteiligten sind Studenten an der dortigen Universität und entsprechend jung.
Ein Libretto, was an Absurdität eigentlich kaum zu überbieten ist. Das Traumpaar einer Kleinstadt will heiraten, aber der Bräutigam Alexis hat die Idee, daß alle Menschen sich über Klassen- und Altersschranken hinweg verlieben sollen. Er engagiert einen Zauberer, der einen entsprechenden Trank braut, welcher auslöst, daß man sich in die erste Person verliebt, die man danach sieht, was natürlich prompt dazu führt, daß sich bestehende Paare trennen, und neue Paare, aber nicht die, die man im Auge hatte, zusammenfinden. Er verlangt auch von seiner Verlobten Aline, den Trank zu nehmen, um sicher zu sein, daß sie ihn immer lieben wird. Das geht gehörig schief, sie erblickt jemand anderen, Alexis wird im Eifersuchtswahn handgreiflich. Um den Zauber aufzuheben, muß jemand sein Leben opfern, was schließlich der Zauberer selbst tut. Die richtigen Paare finden wieder zusammen.
Daß nach den Ereignissen Alexis und Aline wieder zusammenfinden, ist allerdings aus heutiger Sicht nicht mehr vermittelbar, so daß Regisseurin Aliza MYERS hier zwischen all den glücklichen Alt- und Neupaaren den endgültigen Bruch zwischen dem einstigen Traumpaar inszeniert. Die Produktion setzt auf Timing, kommt ohne Kulisse aus und gibt den Darstellern ausreichend Raum für ihre Entwicklung. Die Kostüme von Sarah MILLER und Julia LISCO passen in die offenbar fünfziger Jahre verlegte Handlung gut hinein.
Peter BLACK als John W. Wells der titelgebende Zauberer stiehlt jede Szene, in welcher er auftaucht mit einer extrem sprechenden Mimik und einem großen Talent für Komik. Allein seine Reaktion, als er droht, Opfer seines eigenen Tranks zu werden, war zwerchfellerschütternd.
Die stimmlich beste Leistung des Abends kam von Seb ROBERTS als Alexis. Da hörte man eine lyrische Tenorstimme, sehr gut geführt, angenehm timbriert, keine Klippen der Partie fürchten müssend. Der junge Sänger weiß zudem sehr genau, wie man mit dem Text arbeitet. Julia HALLIN als Aline kann eher in der Darstellung punkten, wenn sie durch die Emotionen von bedingungsloser Verliebtheit, über Zweifel, Verzweiflung und Wut gehen darf.
Die Eltern der beiden, James FARSHAW als Sir Marmaduke, Vater des Bräutigams, und Olivia MCGRATH als Lady Sangazure, Mutter der Braut, die schon in ihrer Jugend ein Auge auf einander geworfen haben, dürfen hingegen glücklich werden. Beide sind als Typen großartig ausgewählt und stellen glaubwürdig ein älteres Paar dar.
Jamie CIZEJ als Vikar Dr. Daly, der seiner offenbar etwas wilderen Jugend nachtrauert, macht mindestens ebenso viel Spaß. Laut den bei Instagram nachzulesenden Kurzbiographien der Darsteller ist er der einzige, der vorhat, das Theater zum Beruf zu machen; das dürfte nach der Leistung klappen. Alice ROBINSON ist als junge Constance in diesen Vikar sehr verliebt, fühlt sich aber nicht von ihm gesehen, was zu schön gespielter Verzweiflung führt. Chris ASHLEY ist ihre Mutter Mrs. Partlet, die sehr überzeugend versucht, ihren niedrigeren sozialen Status zu überspielen, indem sie die Haltung der verstorbenen Queen kopiert, und kompetent die Rolle singt.
Das restliche Ensemble Amy DUNN, Sophie LONGSTAFF, Bella YOW, Tayler COLBETH, Julia Lisco, Lucile BELGORGEY (sehr präsent als junger Macho-Kerl), Alexander PROCOPIS, Matthew COLQUHAUN und Charlie MACBETH (der zudem ein Solo als Notar hat) ist sehr spielfreudig und schafft es ohne weiteres, jeder für sich in positiver Erinnerung zu bleiben.
Georgina DUNCAN hat am Klavier die musikalische Leitung inne und schafft es nicht nur, die Ensembles zusammenzuhalten, sondern auch mit minimaler Begleitung größtmögliche Effekte zu erbringen. MK