Rückblick auf die Silvesterkonzerte im Fernsehen für Daheimgebliebene
Ja, das Fernsehen hat uns Klassikfans in verschiedenen Kanälen mit teils unterschiedlichen musikalischen Darbietungen der Klassik o.ä. zu Silvester und Neujahr versorgt, so daß wegen der Kontakteinschränkungen ein zwangsläufig zu Hause bleiben nicht schwer viel.
Im ZDF kam man zunächst in den Genuß eines Konzerts aus der Semperoper, wo Christian THIELEMANN mit der DRESDNER STAATSKAPELLE sich große Mühe gab, die Musik der Zwanziger Jahre dem Fernsehpublikum nahe zu bringen. Leider wurde ohne Publikum in der Semperoper gesungen und gespielt, so daß es auch den beiden Solisten Hanna-Elisabeth MÜLLER und Saimir PIRGU ziemlich schwer fiel, ihre sonst gewohnte gesangliche Ausstrahlung publikumsnah herüber zu bringen, zumal dazu Saimir Pirgu einige Stimmschwierigkeiten zeigte. Unvergeßlich und einprägend wird dann aber wohl Igor LEVITs Interpretation der „Rhapsody in blue“ von George Gershwin bleiben, er machte sozusagen den Abend zu seinem. Er dürfte ohnehin zu den derzeit besten Pianisten der Weltbühnen zählen. Eine Anmerkung dazu: Künstler speziell Sänger brauchen eben das Publikum, um ihre gewohnte Leistung zu erbringen.
Parallel lief in der ARD wie alljährlich das Silvesterkonzert der BERLINER PHILHARMONIKER unter der Leitung von Lahav SHANI, da Kirill Petrenko wegen Erkrankung absagen mußte. Beim Umschalten auf diesen Kanal gab es nur den Schluß, um wenigstens optisch den jungen israelischen Dirigenten kennen zu lernen.
Am Neujahrstag lief im ORF und auch im ZDF das alljährliche Neujahrskonzert der WIENER PHILHARMONIKER unter der Leitung von Daniel BARANBOIM. Daß hier musikalische Superlative zum Besten kamen, ist ja wohl ohne Frage.
Am Abend des 1. 1. freute man sich auf das ebenfalls alljährlich präsentierte Neujahrskonzert aus dem Teatro La Fenice, das arte seinem Fernsehpublikum immerwährend zum Jahresbeginn offeriert. Trotz der idyllischen Atmosphäre, die das Theater immer wieder ausstrahlt, war man in diesem Jahr enttäuscht, vor allen Dingen von der merkwürdigen Choreographie der Ballett-Einlagen, die man gut und gerne als stümperhaft bezeichnen möchte. Das ORCHESTER DES TEATRO LA FENICE dirigierte routiniert und opernerfahren Fabio LUISI. Das Programm war gemischt und bot aus italienischer und französischer Oper alles Bekannte, was ein Opernliebhaber zum Jahresbeginn braucht, um sich auf die kommende Saison einzustimmen. Da das Konzert mit Publikum stattfand, sah man durchwegs Masken in den Reihen, sogar ein Teil der Musiker trug die in Italien vorgeschriebenen Masken, einschließlich des CHORs, der sich in seinen Einlagen wie u.a. dem Zigeunerchor aus Verdis „Trovatore“ und dem nicht fehlen dürfenden Gefangenenchor aus „Nabucco“ auf der Bühne präsentierte. Oder gab es hier Choreinspielungen?
Glücklicherweise sangen die Solisten ohne Maske, allen voran Pretty YENDE. Glockenrein erklangen die Töne der Arie der Juliette aus „Roméo et Juliette“ und die Arie der Rosina aus „Il Barbiere di Siviglia“. Als Entdeckung für perfekt gesungene italienische Partien stellte sich der amerikanische Tenor Brian JAGDE vor, schon sein Auftritt als Canio zeigte sein großes tenorales Können mit perfekter Höhe, wobei er seinen Auftritten noch das so höhenreiche „Nessun Dorma“ hinzufügen konnte. Am Ende des Konzerts erklang wie alljährlich das „Brindisi“ aus „La Traviata“.
Den Vogel aller dieser musikalischen Neujahrsgeschenke der Fernsehsender schoß allerdings das Bayerische Fernsehen ab, da das alljährliche Silvesterkonzert des RUNDFUNKORCHESTERS DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS unter seinem Chefdirigenten Ivan REPRUSIC aufgezeichnet aus dem Herkulessaal der Münchener Residenz am 2.1. am Vormittag zu sehen war.
Das coronabedingt wenige Publikum im Zuschauerraum konnte eine Sternstunde an musikalischem Vortrag mit und ohne Gesang erleben, denn Solist des Abends war Xavier CAMARENA, der diesen Jahresabschluß zu seinem machte. Begleitet vom bestens ge- und erprobten Rundfunkorchester unter seinem Chefdirigenten Ivan Reprusic, der an diesem Abend über sich an Stab- und Sängerführung hinauswuchs, sang Xavier Camarena nicht nur seine Bravourarien wie die 9 Cs enthaltende Tenorarie aus „La fille du Régiment“ sowie die große Tenorarie aus „La Cenerentola“, sondern stellte sich auch in spanischen Liedern vor, wie natürlich auch „Granada“, sogar „Nessun dorma“ in den Zugaben erklang in voller tenoraler Höhe.
In all seinen Interpretationen an diesem Abend kam man voll in den Genuß eines perfekten, höhensicheren tenoralen Vortrags. Und wenn schon dieser Abend mit einer so perfekt und bestens durchgearbeiteten Ouvertüre zu Ferdinand Hérolds „Zampa“ beginnt unter der Stabführung von Ivan Reprusic, dann kann man nur bis zum Ende von einer Steigerung und Bestinterpretation von Orchester und Solist sprechen. Untermalt wurde der Abend durch die Moderation von Maximilian MAIER, der eine gelungene Einführung in die jeweiligen Werke wiedergab. I.St.