Daß eine sogenannte Starbesetzung nicht unbedingt ein Garant für qualitativ hochwertige sängerische Darbietung ist, bewies die 109. Aufführung der „Tosca“-Inszenierung von Carl RIHA. An diesem Abend kam es zu einem stimmlichen Komplettausfall aller drei Hauptfiguren mit dem Höhepunkt eines in Sprechgesang abdriftenden „Vissi d’arte“. Der Kunst war dieser Abend ganz sicher nicht geweiht.
Von den exzellent besetzten Nebenrollen einmal abgesehen, gelang es nur im Graben, echte Musikalität zu beweisen. Philippe JORDAN führte die STAATSKAPELLE BERLIN zu einem musikalischen Höhepunkt nach dem anderen und bemühte sich ehrlich, die Sänger auf Händen zu tragen. Doch die beständigen Tempiwechsel (von langsam bis sehr langsam) Bernd WEIKLs, die Atemlosigkeit Anna TOMOWA-SIMTOWs und die nicht überhörbaren Dispositionsschwächen Francisco ARAIZAs, dessen Spitzentöne an diesem Abend sämtlichst zum Fiasko wurden, machten dieses Bemühen sinnlos.
Schade, denn der junge Dirigent hat ein Talent, das bei besseren Vorstellungen ganz bestimmt zu einem grandiosen Erfolg beiträgt. Das Orchester und auch der STAATSOPERNCHOR bewiesen aufs Neue ihr Können. Saubere Töne aus dem Graben, ob vom Flötisten oder von den Blechbläsern, die man in anderen Häusern der Hauptstadt in letzter Zeit selten zu hören bekam.
Bedauerlicherweise wurde als Angelotti keiner der an der Staatsoper bereits etablierten jungen Bässe eingesetzt. Peter KLAVENESS kann auch nicht in die Rubrik hoffungsvolles Talent eingeordnet werden. Mit knarrender Stimme, ohne dunkle Tiefe mogelte er durch die Zeilen des ehemaligen consule, wobei ich auch bezweifele, daß ihm die Funktion und der Background seiner Figur wirklich bekannt waren.
Verlassen kann sich der Zuhörer dagegen immer wieder auf die restliche Besetzung der kleineren Rollen, obwohl sich auch hier das Sprichwort bewahrheitete, daß es keine kleinen Rollen gibt. Bernd ZETTISCH als Messner, Andreas SCHMIDT, Tenor, in der Rolle des Spoletta und Bernd RIEDEL (Sciarrone) sind ein eingespieltes Team in dieser Inszenierung. Es gelang bisher an jedem Abend, an dem ich eine „Tosca“ in dieser Inszenierung besuchte, die Bedeutung ihrer Rollen herauszukehren und zugleich angenehmen wie fundierten Gesang zu bieten. Gerd WOLFF ergänzte dies als Kerkermeister, der Cavaradossis Ring aus Mitleid nicht annahm. Als Hirt beglückte Yvonne ZEUGE Schafe und Publikum mit glockenklarem Sopran.
Einen solchen hat Anna Tomowa Simtow vielleicht einmal besessen. Übrig geblieben ist davon nichts. Sie hätte sich bereits vor einigen Jahren zurückziehen sollen. Ob sie sich ihren Fans verpflichtet fühlt, die sie mit Blumen und Applaus überschütteten, oder einfach nicht in der Lage ist, ihre aktive Karriere zu beenden, kann ich nicht sagen. Fakt ist, daß eine derart indiskutable Leistung nicht auf eine Bühne gehört. Die Künstlerin vermochte bereits beim ersten Auftritt kaum die Gesangslinie zu halten. Ihre Stimme brach immer wieder aus. Teilweise war sie derart außer Atem, daß sie den Text nur hauchen konnte. Textsicherheit war ihre Stärke nicht.
Allerdings auch nicht die von Bernd Weikl. Durch weite Teile des 2. Aktes, dem Akt, der einem guten Scarpia einfach gehört, schmuggelte er sich mit genuscheltem Italienisch, dessen Worte, soweit sie verständlich waren, nicht zu Puccinis Oper gehörten. Beklagenswert auch seine stimmliche Verfassung. Lustlos und darstellerisch völlig neben dem Charakter verließ er sich auf seine Präsenz, die mich persönlich eher abstieß.
Daß Francisco Araiza von den dreien vielleicht noch die beste Figur machte, ist für diesem Abend gesehen, kaum ein Kompliment. Er klingt müde, hin und wieder sogar demotiviert. Die Töne sprachen eigentlich in keiner Lage an, sondern klangen zum Teil wie zerfasert. Es schmerzt, ihn in dieser Verfassung live zu hören. Die deutlich bessere Textbehandlung und darstellerische Umsetzung gegenüber seinen beiden Kollegen sind ein Positivum, welches ich in dieser Besetzung allerdings ohnehin erwartet hatte.
Das anwesende Publikum bejubelte die Vorstellung. Allerdings sah man gerade im obersten Rang viele kritische Gesichter. Für mich war es ein Abend, den ich mir nicht wieder wünsche. Zwei der drei Hauptakteure werde ich in Zukunft jedenfalls tunlichst meiden. AHS