In diesen unruhigen Zeiten ohne kulturelle Entspannung greift man gerne ins Internet, um sich ein wenig in der Freiheit zu bewegen, die einem Musik- und Opernliebhaber generell zustehen würde, wenn nicht derzeit dafür kein Raum mehr ist. So findet man eine Inszenierung des „Nabucodonosor“, uns besser bekannt als „Nabucco“, die die Oper Rom gerade nach den schrecklichen Geschehnissen in Italien am 12. Mai 2020 in einer realen und librettogerechten Inszenierung von Jean-Paul SCARPITTA auf die Bühne brachte.
Darin fiel mir besonders die Szene des Zaccaria auf, als dieser die Tora als Symbol des wahren Glaubens beeindruckend zum Publikum bringen konnte, eine Szene, die man trotz guter Kenntnis des Werks noch nie in dieser Form auf der Bühne erleben konnte. Diesen Priester der Hebräer sang im übrigen in einer Bestleistung Riccardo ZANELLATO.
Alles in allem kann man wieder von einer durchdachten und librettogerechten (Libretto Temistocle Solera) Regie sprechen, denn in Italien würde sich das sogenannte „moderne Regietheater“ nicht durchsetzen können. Vielleicht aus diesem Grunde wählte die Oper Rom auch den übersetzten biblischen Titel des Nebukadnezar, uns besser bekannt als „Nabucco“, die Giuseppe Verdi im Jahre 1842 zu dem Ruhm verhalf, der ihm bis heute geblieben ist. Die Italiener sehen diese Oper heute noch schon allein durch den berühmten Gefangenenchor als ihre „Freiheitsoper“ an, denn dieser war einstmals ein Aufbäumen gegen die österreichische Besetzung Italiens.
Dieses musikalisch hochwertige „Frühwerk“ des Komponisten enthält ohnehin außerdem gewaltige Chorszenen, hier von einem wahren Maestro del Coro Roberto GABBIANI einstudiert, ebenso paßten sich die Kostüme von Maurizio MILLENOTTI hier dieser wohl durchdachten Inszenierung von Jean-Paul Scarpitta an.
Wenn Riccardo MUTI am Pult steht, wird eine Verdi-Oper zu einem Genuß, keiner versteht das Orchester (hier das ORCHESTER DER OPER ROM) und Sänger so zu führen wie er. Nicht nur das Orchester, sondern auch die Sänger dankten es ihm und letztlich auch dem Publikum mit einer abendlichen Bestdisposition.
Gerade die Hauptpartie war bei Luca SALSI in den besten baritonalen Händen, sein „Dio di giuda“ wird noch lange nachklingen. Francesco MELI als Ismaele zeigte in dieser Tenorpartie wieder sein ganzes Können, man erlebt ihn ja sonst in viel größeren Partien, während bei den Damen in der Partie der Abigaile Tatjana SERJAN mit hellen, aber doch dramatischen Soprantönen die Rolle dieser machtgierigen Sklavinnen-Tochter großartig meisterte. Als Fenena war die allseits bekannte und beliebte Sängerin Italiens Sonia GANASSI zu hören, die den Glanz ihrer Stimme noch nicht verloren hat. Die übrigen Darsteller der einzufügenden Partien wie Luca DALL‘AMICO als Gran Saceradote, Saverio FIONE als Abdallo und last not least Simge BÜYÜKEDES als Anna fügten sich hier sehr gut ein.
„Va pensiero“ – „flieh Gedanke“, wann gibt es wieder Freiheit für uns alle, gerade für die Kunst? I.St.