„Die Perlen der Cleopatra“ – 3. Dezember 2016 (Stream)

Manchmal verbringt man den Abend dann doch anders, als man denkt. Eigentlich war die Planung, sich im Streaming die „Cosi fan tutte“-Produktion der Hamburgischen Staatsoper anzusehen, bei welcher wir live in der Pause geflüchtet waren. Wir hielten es ob der einfach nur in ihrer bunten stilisierten Nichtigkeit verharrenden Regie von Herbert Fritsch aber nur bis zum Schluß des Anfangsterzetts aus.

Auf der Suche nach einer Alternative landeten wir, schon lange bekennende Oscar-Straus-Fans, bei der Komischen Oper und den „Perlen der Cleopatra“. Bei seinen Opernregien ist Barrie KOSKY nicht unseres, in der Operette, speziell derjenigen der zwanziger und dreißiger Jahre, ist er grandios. Man spürt, wie sehr er das Genre liebt, wie sehr es ihm am Herzen liegt, der zweimal ihres Kerns (erst von den Nazis, dann durch entschärfte Fassungen nach dem Krieg, die zwei Generationen Operetten meiden ließ) beraubte Gattung wieder zurückzugeben, was ihr gehört: das Freche, das Subversive.

Und hier gelingt das meisterhaft. Im funktionalen Bühnenbild von Rafael DIDWISZUS tummeln sich die Charaktere in den einfallsreichen und detailverliebten Kostümen von Victoria BEHR, die spannenderweise auch für die verstörend knallbunten Bekleidungen der Hamburger „Cosi“ verantwortlich zeichnete.

Besonders erwähnenswert ist auch die Choreographie von Otto PICHLER, die nicht nur exzellent getanzt wird, sondern auch gleich diverse Mitte der zwanziger Jahre in Berlin populäre Strömungen und auch manch Bekanntes aus einer Berliner „Aida“-Choreographie zitiert. Leider werden die Tänzer nicht namentlich im Begleittext zum Stream erwähnt. So bleibt nur das Pauschallob: grandios in Spiel wie Tanz und nicht umsonst ein wichtiger Bestandteil der Produktion.

Dagmar MANZEL singt, spricht, spielt, ja, lebt die Titelpartie. Hatte die große Königin, die Urenkelin der heiligen weißen Katze, tatsächlich eine solche Kodderschnauze? Nach nicht einmal fünf Minuten Manzel ist man hundertprozentig davon überzeugt, daß es nur so gewesen sein kann. Die Darstellerin besitzt das wunderbare Talent, komplett bühnenbeherrschend zu sein, aber ihren Kollegen trotzdem stets gut Raum zu lassen, selbst zu glänzen. Ein Paradox? Vielleicht, aber es funktioniert tatsächlich.

Ihr zur Seite brilliert Katze INGEBORG, eine leicht derangierte Handpuppe, mit der Cleopatra aus ihren Monologen Dialoge macht. Sie hat womöglich eine noch größere Kodderschnauze als die Königin. Sie wächst einem so schnell ans Herz, daß man sie jedes Mal vermißt, wenn sie nicht auf der Hand sitzt, und kurz davor ist, den Tierschutz zu alarmieren, als Cleopatra sie in eine Kiste packt.

Dominik KÖNINGER als Silvius mit wallendem Blondhaar und Kostümen, die, würde sie eine Frau tragen müssen, sofort unter #metoo-Verdacht stünden, schwelgt mit unglaublichem Spaß und sehr gut geführter Stimme in der bei der Uraufführung von Richard Tauber gesungenen Partie des nicht gerade nobelpreisverdächtigen römischen Soldaten. Der Sänger hat sich seit seiner Zeit im Opernstudio der Hamburgischen Staatsoper großartig entwickelt.

Mit sehr schönem, für derartige Partien geradezu prädestiniertem Tenor verkörpert Johannes DUNZ den Prinzen Beladonis, der sich auch nicht davon abhalten läßt, trotz seines voluminösen Kostüms beweglich über die Bühne zu toben.

Ein bißchen zu überdreht erscheint der Pampylos in der Verkörperung von Dominique HORWITZ. Er verkörpert den opportunistischen Charakter glaubhaft, ist mehr als ein Stichwortgeber. Seine teils zu exaltierte Sprechweise, sicherlich Mittel zur Charakterisierung, strengt mitunter aber doch etwas an.

Als Marcus Antonius und zuvor als Revolutionär Kophra in Che-Guevara-Outfit singt Peter RENZ sehr wohlklingend und bricht dabei auch noch den großen Helden auf einen angesoffenen, leicht überforderten Kerl herunter.

Talya LIEBERMAN (Charmian) schafft es nach anfänglich etwas unsicheren Beginn schließlich doch noch, mit gut sitzendem Sopran und bewundernswerten Trompetenfähigkeiten zu erfreuen. Die Textverständlichkeit könnte aber noch besser werden.

Adam BENZWI am Pult des ORCHESTERS DER KOMISCHEN OPER BERLIN pustet jeglichen Staub von der Partitur, läßt jazzen, wo gejazzt werden muß, balanciert gekonnt zwischen Schmalz und Ironie, und ist den Sängern zudem ein einfühlsamer Begleiter. Auch der CHOR (Leitung David CAVELIUS) und das LINDENQUARTETT machen ihre Sache grandios, inklusive des Tanzens auf hohem Niveau.

Die Produktion wird, so Corona will, Anfang 2021 wieder aufgenommen. Wir werden uns diesen Spaß nicht entgehen lassen.
AHS & MK