Mit einer geglückten traditionellen Inszenierung dieser leider selten auf deutschen Bühnen zu sehenden Oper von Giuseppe Verdi wurde von der Oper Rom an eine Zeit der großen Oper in Italien erinnert, die heute fast vergessen ist. Diese Aufführung wurde offenbar wegen der Corona-Zeit von der Oper Rom ins Internet gestellt, allerdings ist sie erst seit ganz kurzer Zeit auch für das internationale Publikum zu sehen, sie wurde zur Eröffnung der Spielzeit 2013 aufgeführt mit einer exzellenten Sängerbesetzung und wie könnte es nicht besser sein, von einem Meister der Musik Giuseppe Verdis dirigiert, nämlich Riccardo MUTI.
Wie oft bei Eröffnungen von Spielzeiten in Italien erklang in Anwesenheit des Staatspräsidenten die italienische Nationalhymne, die nach Verdi klingt, aber nicht von ihm komponiert sein soll, obwohl man es dem großen Schöpfer unnachahmlicher Musik zutrauen müßte, da er Mitglied im damaligen Risorgimento war. Diese Organisation sorgte später für die Einigung Italiens, das dann vereint zum Königreich wurde.
Simone Boccanegra, Doge von Genua, (in der Oper Simon) hat wirklich gelebt und regiert, aber das Libretto der Oper in zwei Fassungen von Francesco Maria Piave und Arrigo Boito (die Handlung weist die 2. Fassung auf) zeigt eine erfundene Familiengeschichte auf, die mit dem damals regierendem Dogen Genuas keinerlei Verbindung aufweist, nur sein Vergiftungstod hat in der Realität stattgefunden. Intrigen und Machtkämpfe gab es also damals wie heute wie in der Oper geschildert.
Unter der Regie von Adrian NOBLE kam dieses so großartige Werk von Giuseppe Verdi zeitauthentisch auf die Bühne, ohne verstaubt zu wirken, zumal schon das äußerst gelungene Bühnenbild von Dante FERRETTI das Publikum in das mittelalterliche Genua entführte. So zeichnete der Bühnenbildner im 3. Akt die Wohnräume des Dogen als Gemäldegalerie, in den ersten zwei Akten zeigte er sogar das in der Sonne glitzernde Meer im Hintergrund – man schwelgte geradezu in diesen nostalgisch gezeichneten Bühnenbildern und in den gekonnten Regie-Ideen des Regisseurs, zumal auch noch die Kostüme passend zur Zeit von Maurizio MILLENOTI sehr zum Gelingen der durchdachten Inszenierung beitrugen. Alles in allem, wer alte traditionelle Operninszenierungen liebt, wo man sich ganz der Musik und dem Original-Libretto widmen kann, der wurde an diesem Abend voll befriedigt.
Für die Titelrolle des unglücklichen Dogen Simon, der durch eine Intrige vergiftet wurde, aber wenigstens die Tochter seiner großen Liebe vorher noch in die Arme schließen konnte, hatte man George PETEAN engagiert, der mit einer großartigen, nicht nur stimmlichen Darstellung mit ausdrucksbetonten und fülligen Baritontönen für diese Rolle geradezu prädestiniert erscheint, besonders eindrucksvoll erschien mir seine Todesszene, ausgefeilt in der nicht nur stimmlichen Darstellung bis ins Kleinste. Erst-Rivale Jacopo Fiesco wurde von Dmitri BELOSESKY sehr eindrucksvoll interpretiert, man würde sich ihn gerne mal auf deutschen Opernbühnen wünschen, diese eindrucksvolle Darstellung kam besonders zum Ausdruck in der Versöhnungsszene mit Simon am Schluß der Oper.
Amelia, die Tochter des Simon, wurde von einer sehr guten Sopranistin verkörpert, nämlich von der international bekannten Maria AGRESTA, die einen wandlungsfähigen schönen Sopran mit gekonnten Koloraturen aufweist, mir gefiel sie besonders in der Erkennungsszene im Duett mit Simon. Als ihr Verlobter Gabriele Adorno, von Simon noch vor seinem Tod als Nachfolger zum Dogen ernannt, kam Francesco MELI zum Einsatz, der einen technisch bestens geformten Tenor aufweist, was er in seiner großen Arie des 3. Akts bewies, nicht umsonst ist er an allen Opernhäusern der Welt zu Hause. Auch Quinn KELSEY in der Intrigantenrolle des Paolo Albiani konnte seine Rolle perfekt nicht nur gesanglich dem Publikum nahebringen, als Pietro fügte sich Riccardo ZANELLATO bestens in die Sängerriege ein.
Besonders erwähnenswert ist auch die Best- CHOReinstudierung von Roberto GABBIANII. Geradezu frenetischen Beifall erhielt das ORCHESTER DER OPER ROM unter seinem Dirigenten Riccardo Muti, er führte, wie bekannt bei all seinen Dirigaten, das Orchester und Sänger bestens durch diesen großartigen Opernabend.
Solche Opernabende würde man gerne immer wieder erleben – das ist Oper, wie wir sie lieben. I.St.