„La Traviata“ – 6. Oktober 2019

Wahnvorstellungen in Düsseldorf, Volume 3

Während an den beiden vorherigen Abenden die Titelfigur unter Wahnvorstellungen litt, glaubte ich an diesem Abend, selbst welche zu haben. Eine nicht nur verständliche, sondern wirklich gute Inszenierung mit durchdachter Personenregie von Andreas HOMOKI? Kann es das tatsächlich geben?

Da gibt es eine leere, leicht schräge Bühne (Frank Philipp SCHLÖßMANN), auf der gelegentlich einige Stühle stehen, aber ansonsten nur durch das Licht (Volker WEINHART) Stimmungs- oder Szenenänderungen angedeutet werden. Die Kostüme, größtenteils in schwarz/weiß gehalten von Gabriele JAENECKE sind kleidsam. Die Personenregie, im Programmheft steht Mark Daniel HIRSCH als Co-Regisseur, ist auf den Punkt genau. Das Brindisi verkommt ausnahmsweise nicht zum Rampensingen, sondern die Personen interagieren, inklusive eines übergriffigen Eifersuchtsanfalls von Douphol.

Es ist lange her, daß ich eine „Traviata“ gesehen habe, in welcher die drei Hauptfiguren großartig besetzt gewesen sind. Als Violetta war Adela ZAHARIA zu hören und übertraf noch ihre schon exzellente Leistung im Dezember als Maria Stuarda. Die Stimme scheint keine Einschränkungen zu kennen, sowohl der erste Akt mit den Koloraturen als auch die folgenden Akte werden problemlos gemeistert. Die Sängerin schont sich auch darstellerisch in keiner Sekunde.

Ovidiu PURCEL als Alfredo hat ein aufhorchen machendes Timbre, er weiß um die Wichtigkeit der Phrasierung; wie er im letzten Akt fast ausschließlich mit der Stimme den Moment gestaltet, in dem Alfredo bewußt wird, daß Violetta sterben wird, ist absolut tränentreibend. Er gehört sicherlich zu der Gruppe von vielversprechenden Tenören, die man im Auge behalten sollte. Dazu ist er in der Lage zu spielen, sein Blick zu seinem Vater nach Violettas Tod sagt mehr als tausend Worte, daß es hier kein Verzeihen geben wird.

Dabei ist Lucio GALLOs Germont eigentlich gar nicht so eiskalt und gemein, wie man dies manchmal sieht. Dieser Vater leidet fast körperlich unter dem, was er meint tun zu müssen, so daß man gelegentlich dachte „der arme Mann“. Das ging tatsächlich auch musikalisch auf, denn der Bariton sang sehr präzise mit großen legato-Bögen, warmem Ton und vielen piani gegenüber Violetta.

In den kleineren Rollen ließen Valerie EICKHOFF (Anina), Karina REPOVA (Flora) und Andrei NICOARA (Marchese) aufhorchen, Karel LUDVIK (Grenvil), Richard ŠVEDA (Douphol), Ingmar KLUSMANN (Giuseppe) und Thomas Ulrich LÄSSIG (Diener) ergänzten solide, während bei Johannes PREIßINGER als Gastone weniger mehr gewesen wäre.

Das Dirigat von David CRECENZI am Pult der DÜSSELDORFER SYMPHONIKER war ausdrucksstark, kraftvoll, aber sängerfreundlich und mit viel Gefühl für Verdis Musik. Der Ausstieg des CHORS DER DEUTSCHEN OPER AM RHEIN im letzten Bild wurde innerhalb weniger Augenblicke wieder eingefangen. Dieser Moment war aber auch der einzige, den man kritisieren konnte.

Ein wirklich denkwürdiger Abend. MK