Musikalisch war der Abend ein wirkliches Ereignis, szenisch weniger, und über die Ausführungen zum historischen Hintergrund in Programmheft und Einführungsvortrag, dem ich zugegebenermaßen nach wenigen Minuten entflohen bin, kann man nur den Kopf schütteln.
Wie es in diesem Stück sein sollte, war es der Abend der beiden Königinnen, die grandios sangen und spielten. In der Titelrolle war Adela ZAHARIA zu hören, mit absolut sicheren Koloraturen, einem sehr angenehmen Timbre und schönen Phrasierungen. Daß sie dazu noch sehr rollendeckend aussah, war die Sahne auf dem Kuchen, weil es deutlich machte, warum all diese Männer ihr verfallen. Gleichzeitig konterkarierte sie die offenbar gewollte Darstellung einer mißverstandenen Heiligen im Spiel, weil sie sowohl zickig als auch manipulative Züge zeigte.
Ihre ebenbürtige Gegnerin war Maria KATAEVA als Elisabetta. Warum diese eine unglaublich häßliche rotblonde Perücke, die aussah, als hätten Prinz Eisenherz und ein Wischmop eine Beziehung mit Folgen gehabt, tragen mußte, bleibt ein Geheimnis. Sie war allerdings jeder Zoll eine auch in ihrem Zweifel große Königin, die gesanglich mit Furor durch die Partie tobte, ohne dabei ein einziges Mal die Gesangslinie zu verlassen.
Shalva MUKERIA als Leicester sang anständig, er hatte alle Töne, auch wenn die Stimme in der Höhe ein wenig an Qualität verlor, aber was ihn eigentlich antreibt, Liebe, Macht oder irgendetwas anderes, blieb unklar, was vermutlich allerdings ein Verschulden der Regie war. Bogdan TALOṢ als Talbot war sowohl mit seinen weichen Baßtönen als auch einer Bühnenpräsenz, die nicht viel Bewegung benötigte, eine sehr gute Besetzung.
Richard ŠVEDA als Cecil war stimmlich nicht auffällig, spielte allerdings mit Szenendiebqualitäten. Daß manche fast jagomäßige Aktion irgendwie irritierend wirkte, mag die Regie verschuldet haben. Karina REPOVA als Anna Kennedy fügte sich rollendeckend ein.
Im ersten Akt wirkte der CHOR DER DEUTSCHEN OPER AM RHEIN unter der Leitung von Gerhard MICHALSKI noch wenig homogen, ein Eindruck, der sich erfreulicherweise allerdings in der großen Chorszene des 3. Akts vollständig revidierte. Die DÜSSELDORFER SYMPHONIKER unter der Leitung von Antonino FOGOLIANI leisteten ebenfalls Großes. Man hört selten derartig konzentriert gespielte Belcanto-Oper ohne jede Schlamperei, dafür aber ausreichend Italianità.
Leider war die szenische Seite nicht auf einem Niveau mit der musikalischen. Die Kostüme von Eva KRÄMER gingen mit Ausnahme der schon genannten Perücke in Ordnung. Auch das Bühnenbild von Roel VAN BERCKELAER war nicht wirklich störend, es stellte offenbar den Besucherraum eines Gefängnisses dar, inklusive dem dort häufig vorhandenen Getränke- und Süßigkeitenautomaten, mit zwei Treppen nach oben in den Zellentrakt. Störend war allerdings die teilweise etwas planlos wirkende Regie. Regisseur Guy JOOSTEN inszenierte das Stück ziemlich librettogemäß, allerdings konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß er alles dem mehrfach auch auf der Bühne zitierten Satz Marias „In my end is my beginning“ unterordnete, ob es nun paßt oder nicht. Es ging darum, sie als Siegerin darzustellen. So wird Elisabeth ab dem dritten Akt pausenlos von Maria-Doubles gequält, in der Schlußszene, in welcher Maria, historisch korrekt, zu ihrer Hinrichtung unter ihrem schwarzen Kleid ein blutrotes zum Vorschein bringt, holt der Chor ebenfalls als Solidaritätsgeste (?) ebenfalls rote Kleidungsstücke oder Taschentücher hervor.
Normalerweise würde ich mich jetzt nicht darüber auslassen, was historisch richtig ist oder nicht bei einem Stück, in welchem schon Schiller und Donizetti die Geschichte ziemlich verbogen haben. Wenn jedoch in der Einführung und im Programmheft darauf hingedeutet wird, daß historisch gesehen Maria die Siegerin geblieben ist, stößt das schon auf. Elisabeth I. gilt als einer der erfolgreichsten Monarchen, gleich welchen Geschlechts, überhaupt. Als solche ist sie im kollektiven Gedächtnis. Ob jemand ad hoc eine kluge, erfolgreiche politische Entscheidung von Mary Queen of Scots benennen kann? Mir selbst fällt keine ein. Wer dem Publikum oder dem Produktionsteam sympathischer ist, bleibt eine individuelle Entscheidung, aber es tut nicht not, die wahre Geschichte und ihren weiteren Verlauf nicht darzustellen, nur weil einem der zugegebenermaßen starke Satz „In my end is my beginning“ so gut gefällt. MK