„Un ballo in maschera“ – 17. März 2016

Wer sich die übliche Handlung mit der lange vermißten Komposition des großen Italieners an der Bayerischen Staatsoper als Opernfreund erwartet (die letzte Inszenierung des Werks liegt lange zurück) wird bitter enttäuscht durch die merkwürdige Regie von Johannes ERATH, der die Handlung in den zwanziger Jahren spielen ließ, auf der Bühne eine dekadente Gesellschaft der USA. Also von Königsmord einst im Jahre 1792 an König Gustav III durch den Grafen Anckerström während eines Maskenballs (die Pistole und die Kostüme kann man heute noch im königlichen Museum dort besichtigen) keine Spur. Schon bei der Entstehung des Werks fiel die Originalhandlung der Zensur zum Opfer, die keinen Königsmord auf der Bühne duldete, so daß die Uraufführung des Werks im Jahre 1858 schon in Boston spielte und aus Gustavo Riccardo wurde.

Entgegen des Librettos von Antonio Somma kam in der Münchener Inszenierung Riccardo als ein Zerrissener und psychisch Angeschlagener auf die Bühne, der sich schon zu Beginn der Oper mit Selbstmordgedanken trägt, unterstrichen durch Herumwälzen auf einem die ganze Aufführung hindurch auf der Bühne befindlichem Bett mit der Pistole in der Hand. So erlebt er die ganze Geschichte wohl in einer Traumvision, seine unerfüllte Liebe zu Amelia und den anschließenden Verzicht, wobei er bis zum Tod der Wahrsagerin Ulrica folgt, die bühnenpräsent während des ganzen Szenario war. Dieses allgegenwärtige Bett diente als Allroundkulisse für das gesamte Handlungsgeschehen. Man kann den Gedanken des Regisseurs manchmal schwer folgen, so fand auch die Todesweissagung der Ulrica auf besagtem Bett statt, im 2. Akt liegt Amelia mit ihrem Ehemann in diesem Doppelbett und überlegt sich ernsthaft, ob sie ihn nicht besser, als den Zaubertrank zu schlürfen, mit dem Kissen ersticken soll, das berühmte Liebesduett zwischen Amelia und Riccardo fand nicht auf dem im Libretto erwähnten Galgenberg statt, sondern vor diesem Bett (im Hintergrund der schlafende Renato) – wie gesagt, dieses Bett diente als Allroundkulisse (Bühne und Kostüme Heike SCHEELE und Gesine VÖLLM – die sich beide wohl der Inszenierung anpassen mußten).

Ein Maskenball wurde nur während des Vorspiels durch Video (Lea HEUTELBECK) eingeblendet, lediglich am Ende der Oper mußten schließlich Ballgäste auf der Bühne sein, interpretiert durch den CHOR DER BAYERISCHEN STAATSOPER unter der sehr guten Einstudierung von Sören ECKHOFF. Dazu gab es – wie es heute auf den Bühnen nicht unüblich ist – wieder einmal stumme hineininterpretierte Rollen und Puppen auf der Bühne, so wirkte beispielsweise der als Fischer verkleidete Riccardo in Form einer Puppe mit Mundbewegungsmöglichkeit, die der Interpret während des Singens halten und bewegen mußte, einfach lächerlich und unpassend.

So machte Johannes Erath aus diesem Stück ein neues, ob es aber im Sinne des Publikums ist, bleibt dahingestellt, und man tröstete sich mit einer großartigen musikalischen Leistung von allen Interpreten, die durch Altmeister am Pult Zubin MEHTA noch hervorgehoben wurde. Wie er Sänger und Orchester erfahren (obwohl es sein Dirigat-Debüt gewesen sein soll) und einfühlsam durch den Abend führt, das macht ihm so schnell niemand nach.

Piotr BECZALA in der Rolle des Riccardo könnte nicht besser besetzt sein, seine Tenorhöhen, seine Gesangstechnik und seine Bühnenpräsenz scheinen für diese Rolle nahezu eine Idealbesetzung zu sein, besonders hervorzuheben ist seine Schlußromanze „Forse la soglia attinse“, die er zum Höhepunkt seiner tenoralen Bestabendleistung werden lassen konnte. Über Anja HARTEROS als Amelia muß man keine großen Worte verlieren, sie muß und soll sich zu den größten Sopranistinnen unserer Zeit zählen.

George PETEAN als Renato konnte mit gut geschultem Bariton sein „Eri tu“ zu seinem baritonalem Höhepunkt des Abends werden lassen. Eine große Entdeckung für die Rolle der Ulrica ist Okka von der DAMERAU, die in bester stimmlicher Abendform und Bühnenpräsenz gerade bei dieser Inszenierung sehr gut punkten konnte.Eine Entdeckung an Stimme und Darstellungsvermögen dürfte an der Bayerischen Staatsoper Sofia FOMINA als Oscar sein, stimmlich höhensicher (u.a. „Saper vorreste“) machte sie sich schnell zum Publikumsliebling, was der Schlußbeifall bewies.

Andrea BORGHINI als Silvano und die beiden Verschwörer Samuel (Anatoli SIVKO) und Tom (Scott CONNER) waren für ihre Rollen eine gute Wahl, Ulrich REß als blinder Oberster Richter, Joshua Owen MILLS als Diener Amelias sowie das Kind Alexander FISCHER fügten sich sehr gut in das hochqualifizierte Sängerensemble ein.

Warum das Stück seit über 150 Jahren als „Un ballo in maschera“ benannt ist, ließ die Regie nicht erkennen. Irgendwo kam mir ein Konzept in die Hand, das mir aus der Seele spricht: Oft mißbrauchen Regisseure den Komponisten.
I.St.