„Guillaume Tell“ – 10. Mai 2017

Rossinis letzte Oper – und zugleich seine einzige Grand opéra (Uraufführung in Paris am 3. August 1829) – fand nach langer Abwesenheit in 2015 in der Originalsprache (Libretto Etienne de Jouy und Hippolyte Bis) endlich eine Aufführungsverwirklichung an der Bayerischen Staatsoper, in 2017 erst gab es die Wiederaufnahme. Rossinis Musik, der bekannt ist durch seine großartig durchkomponierten Belcanto Frühwerke der opera buffa und opera seria zeigt hier in seiner Komposition weniger Koloraturen für Sänger auf, man hört eine Grand opéra, die sich bereits musikalisch den Kompositionen der Folgekomponisten annähert. Ein grandioses unglaublich schwer zu singendes Werk für Sänger, für das man aber doch Rossini-Sängerspezialisten benötigt, um es kompositionsgerecht erklingen lassen kann. Die Handlung des Werks fußt auf den historisch belegten Freiheitskampf der Schweizer unter dem sagenhaften Wilhelm Tell gegen die Herrschaft der Habsburger am Anfang des 14. Jahrhunderts nach dem Schauspiel von Friedrich Schiller.

Das Publikum wartet hier mit Spannung auf den berühmten Apfelschuß des Tell im 1. Teil vor der Pause,was die Inszenierung von Antú ROMERO NUNES gut herausgearbeitet präsentieren konnte, auch war die Personenführung gut durchdacht,nur leider fand man auf der Bühne ein Einheitsbühnenbild vor, ausgedrückt durch ständig in Bewegung befindlichen Säulen (Bühne Florian LÖSCHE), dadurch konnte aber die Konzentration auf die Musik Rossinis nicht beeinträchtigt werden. Die Regie verlegte den Schweizerischen Freiheitskampf in die Jetztzeit, was die Kostüme von Annabelle WITT gut zeichnen konnte, die sogar die Brautkleider der Damen des Chors (der Regisseur plante eine Massenhochzeit) im 1. Akt in verschiedenen Modellen entwarf.

In dieser Inszenierung hörte man auch die berühmte Ouvertüre nach der Pause, warum das so stattfinden mußte, konnte nicht ergründet werden, Antonello ALLEMANDI führte hier, wie auch den ganzen Abend, das BAYERISCHE STAATSORCHESTER kompositionsgerecht durch den Abend.

In der Titelpartie konnte sich Gerald FINLEY (der Tell muß hier rothaarig auftreten – warum?) stimmlich wie darstellerisch sehr gut einführen, eine aufzuhorchende Tenorstimme von Yosep KANG präsentierte sich in perfekt gesungenen Rossini-Tönen als Arnold in seinen langen schwer zu singenden Arien, Walter Furst war mit Goran JURIC ebenso wie Kristian PAUL als Melcthal (alle Namen erschienen im Programmheft in der Originalsprache) sehr gut besetzt.

Den Vogel wie bei all den Aufführungen dieser Oper schoß Evgeniya SOTNIKOVA als Sohn des Tell Jemmy ab,die sich nicht nur stimmlich bestdisponiert präsentieren konnte, sondern sich auch schauspielerisch sehr gut in diese kindliche Rolle einfühlen konnte. Gesler war mit Luca TITTOTO gut gewählt, während Kevin CONNERS als „Nazischerge“ Rudolphe wie stets eine Bestabendstudio erbrachte. Petr NEKORANEC als Bräutigam Ruodi ließ durch eine höhensichere best geschulte Tenorstimme im 1. Akt aufhorchen, Christian RIEGER als Leuthold fügte sich sehr gut in die Sängerriege ein.

Die Damen kamen im Programmheft leider zum Schluß, man kann hier von herausragenden Künstlerinnen sprechen, so Erika GRIMALDI als Mathilde, die doch die wenigen Rossini-Koloraturen in ihren Arien bestens herausgearbeitet darbot und als Geliebte und Gegenspielerin von Arnold eine sehr gute Besetungswahl darstellte, ebenso die Mezzosopranistin Jennifer JOHNSTON als Gattin Hedwige des Tell, der ein großer Beifall des Publikums galt

Eine Bestleistung des Abends, vor allen Dingen die Herren,erbrachte wiederum der CHOR DER BAYERISCHEN STAATSOPER nebst EXTRACHOR unter der Einstudierung von Sören ECKHOFF.

Ein Fest der Stimmen an der Bayerischen Staatsoper. I.St.