„Mefistofele“ – 6. November 2015

An diese äußerst selten aufgeführte Oper (in einem Prolog, vier Akten und einem Epilog – so steht es im Programmheft), die man ebenso selten nur konzertant hören und sehen kann, – deshalb hat man auch wenig Vergleichsmöglichkeiten – wagte sich die Bayerische Staatsoper szenisch in einer gut durchdachten Inszenierung von Roland SCHWAB.

Der Komponist Arrigo Boito, der Freund Giuseppe Verdis und zugleich Librettist mehrerer seiner Opern interessierte sich bereits im Jahre 1868, die Uraufführung war am 5. März 1868 in Erstfassung, für die Vertonung von Goethes „Faust“, da er Anhänger einer Künstlergruppe der Scapigliatura – den Zerzausten – war, die sich dem Negativen und Bösen in künstlerischer Hinsicht hingezogen fühlte. Deshalb beschäftigte er sich als Komponist und Librettist mit der Figur des Mephisto und stellte diesen in den Mittelpunkt seines selbst vertonten Librettos unter Verwendung von Goethes „Faust“. Boito selbst: „Weil wir das Schöne nicht finden, klammern wir uns an das Grauenvolle“. Im Jahre 1875, nach einiger Überarbeitung seines Werks, konnte der „Mefistofele“ nun endgültig am Teatro Communale seine Erstaufführung der 2. Fassung (die Uraufführung an der Mailäder Scala 1868 fiel durch) starten. Wohl in Annäherung zu Freund Verdis Requiem (erstaufgeführt 1874) beginnt der Prolog der Oper musikalisch mehr als Oratorium (in der Lobpreisung), hat aber in der musikalischen Folge wenig Ähnlichkeit mit Verdis Komposition, sondern Boito findet in dem Gesamtwerk seinen eigenen Stil mit viel dramatischen Stellen gerade für die einzelnen Szenen zu Goethes großem Gesamtwerk, das der Librettist Arrigo Boito voll für seine Komposition verwendete.

Der Regisseur Roland Schwab stellte das Handlungsgeschehen (in den einzelnen Faust-Szenen hatte er durch das Video von Lea HENTELBECK mit Bühne (Piero VINCIGUERRA) und Kostüme (Renée LISTERDAL) sehr gute Partner, in die Jetztzeit. Es gelang ihm für alle Szenen eine sehr gute Personenführung, nur bei der Figur des Faust bemerkte man stellenweise Steifheit und Rampentheater. Die Walpurgisnacht sowie die Gefängnisszene mit Margherita waren sehr gut erarbeitet, wie auch die Schlußszene im Irrenhaus mit Elena und Faust.

Dieses selten aufgeführte Bühnenwerk – konzertant hörte es das Münchener Opernpublikum zum ersten Mal im Jahre 2000- stellt eine enorme Anforderung an die Künstler dar, vor allen Dingen schon an den Dirigenten, um das nahezu unbekannte Werk dem Publikum nahezubringen. Das ist Omer Meir WELLBER mit hoher einfühlender Musikalität gelungen, er konnte das BAYERISCHE STAATSORCHESTER deshalb gekonnt durch den Abend leiten, zumal für das anspruchsvolle Opernwerk die Bayerische Staatsoper exzellente Sänger dafür engagierte.

In der Titelpartie des Mefistofele glänzte René PAPE nicht nur in stimmlicher Bestform, sondern für die Darstellung des Boten der Unterwelt kann man ihm nur eine perfekte Rolleninterpretation attestieren. Bestens herausgearbeitet die Verführungsszenen, sein Fordern nach Fausts Seele und gerade der enttäuschende Schluß mit Fausts Läuterung. Auch diese Oper enthält eine Pfeif-Canzone für den Mephisto-Interpreten, die alle Eigenschaften dieses Höllenbewohners darlegt, und die René Pape bestens gelang. Die Rolle des Faust könnte mit Joseph CALLEJA tenoral nicht besser besetzt werden, mit äussester Intensenion sang er seinen Part, nur die eingangs erwähnte Steifheit seiner Figur wäre einzuschränken.

Als Margherita war Kristine OPOLAIS wieder eine gute Wahl, die Sopranistin singt ihre Partien immer wieder einwandfrei und bestens disponiert. Die Mezzosopranistin Heike GRÖTZINGER ist immer eine Garantie für eine perfekte Darstellung ihrer Rollen, so hier die Darstellung der Marta, dazu Andrea BORGHINI als Wagner mit einem schön geschulten Bariton. Besonders eindrucksvoll hervorzuheben ist hier die gesangliche Leistung von Karine BABAJANYAN im 2. Teil als Elena. Rachel WILSON als Pantalis nebst Joshua Owen MILLS als Neréo fügten sich gut ein.

Die CHOReinstudierung oblag diesesmal beiden Chordirektoren der Bayerischen Staatsoper, nämlich Sören ECKHOFF bei den Erwachsenen und Stellario FAGONE bei den Kindern, beide zeigten wieder eine Besteinstudierung. Ebenso gelang Stefano GIANETTI bei den Tanzeinlagen eine gute Choreographie.

Alles in allem gelang mit dieser Aufnahme eines nahezu unbekannten Werks in das Programm der Bayerischen Staatsoper ein musikalischer Volltreffer für ein anspruchsvolles Opernpublikum.
I.St.