„Carmen“ – 18. Juni 2016

Die skurilen Inszenierungsideen mancher Regisseure haben nun leider auch auf Gut Immling ihren Einzug gehalten. Immling, sonst bekannt für seine durchdachten sehbaren Inszenierungen, die auf kleinstem Raum – einem ehemaligen Stallgebäude – in außergewöhnlicher Regiearbeit und musikalischer Bestleistung jahrelang präsentiert wurden.

Mit dieser Inszenierung der Oper „Carmen“ – ausgerechnet zur 20 Jahrfeier kreiert – traf man nicht ins Schwarze. Der Regisseur Stefan TILCH verlegte den Beginn der Handlung in einen großen Konzern“The Biiilig Fight“ als Veranstalter einer Show, wo man ausschließlich mit Aktentasche, Handy und Computer in Zivilkleidung (Ausstattung Michael D. ZIMMERMANN), auftrat, um so verwunderlicher, daß die Übertitelung in deutscher Sprache doch die militärischen Ränge der Handlungspersonen beibehielt, da es sich nach der Handlungsschilderung im Programmheft hier offenbar auch um einen Umschlageplatz für eine mit Mädchen handelnde Firma handelt. Wollte man sich doch ein wenig an das Originallibretto von Henri Meilhac und Ludovic Halevy, allerdings überarbeitet, halten?

Zudem veränderte der Regisseur Carmens Verführung des Don José durch die berühmte Rose, Carmen malte sie auf ein Stück Papier mit Photo der Mutter, das José mit ins Gefängnis nahm, so daß aus der berühmten Blumenarie eine Bildnisarie wurde. So ließ er auch die Rivalen José und Escamillo (letzerer kein Stierkämpfer, sondern ein Showstar) durch ein gemeinsames selfie anfänglich Frieden schließen, und eine weitere Regieidee – zum Schluß folgt Don José Carmen in den Tod. Der musikalische Einzug in die Stierkampfarena im 4. Akt des Originals wurde durch die schwer verständliche Veränderung der Handlungsorte (im Umschlagplatz für Mädchenhandel traten zu verkaufende Mädchen als Putzfrauen auf) durch stumme Artikulationen der Protagonisten ausgedrückt, passend zum Einheitsbühnenbild in rot, das sich während der Aufführung nicht veränderte. In dieser Inszenierung fühlt man sich einfach nicht wohl und keiner versteht, was der Regisseur meint.

Wenigstens aber wurde man durch die musikalische Interpretation der vom Komponisten Georges Bizet so perfekt durchkomponierten Oper entschädigt, da Cornelia von KERSSENBROCK die MÜNCHNER SYMPHONIKER bestens durch eine französische Oper führte, ebenso auch den FESTIVALCHOR IMMLING nebst KINDERCHOR.

In der Reihenfolge des Programmheftes erlebte man in der Titelpartie Iryna ZHYTYNSKA, eine hervorragend geschulte Mezzospranistin, der aber leider die sinnliche Ausstrahlung einer Carmen fehlte, als Don José Alin STOICA, der mit einigen Höhenschwächen am Anfang seinen Tenor doch zum Schluß noch steigern konnte. Mit sehr guten Sopranhöhen schoß Deniz YETIM als Micaela den Vogel ab, nur verwunderte man sich, daß sie in schwarzem Spitzendress (als Bauernmädchen?) auf die Bühne kam, ebenso in schwarzen Mini-Kleidern Frasquita und Mercedes mit den sehr guten Stimmen von Leonor AMARAL und Reinhild BUCHMAYER, nebst den Schmugglern (oder waren es Rauschgiftdealer?) Moralès Szymon KOMASA und Dancairo Sheldon BAXTER. Als Escamillo konnte sich Vadim KRAVETS als Showstar am Ende stimmlich steigern, während Zuniga, besetzt mit Jeffrey TARR eine sehr gute Wahl war. Remenado war Thomas STÜCKEMANN, der sich in das Handlungsgeschehen gut einfügte, diese Figur sollte wohl Lilias Pastia ersetzen.

Was haben bloß die Regisseure für Gedanken, um eine so beliebte mit Ohrwürmern ausgestattete Oper, im übrigen eine wahre Begebenheit im Baskenland der Jahrhundertwende des 18./19. Jahrhunderts, auf diese Weise so verändert auf die Bühne zu bringen? Und wo erscheint der Stier wie im Programmheft angekündigt: „Genau ins Herz getroffen – der Stier fällt“? In dieser Inszenierung keinerlei Hinweise darauf.
I.St.