Interview mit Iulia Maria Dan

„Es ist schon ein bißchen anstrengend, aber ich habe Energie dafür und liebe es.“

Foto: Kartal Karagedik Photography

Neue Intendanz – neues Spiel. Jeder Wechsel bringt auch neue Ensemblemitglieder ans Haus. In Hamburg hat man diesmal Glück gehabt, denn nicht nur, daß viele Leute aus dem bereits bestehenden Ensemble blieben, auch unter den neuen Ensemblemitgliedern findet sich so mancher Glücksgriff.

Iulia Maria DAN ist ein Beispiel dafür. Der junge Sopran aus Rumänien begeisterte uns bisher als Rosalinde, Fiordiligi und vor allem als Tatjana. Sie erzählt in perfektem Deutsch mitreißend von ihrem bisherigen Werdegang. Wie sah ihr Weg von Bukarest an die Elbe aus?

„Ich singe, seit ich fünf oder sechs war, ich habe Popmusik gesungen und immer klassische Musik gehört, aber nicht so viel Opern, mehr Symphonik (Vivaldi und Ravel), was meine Mutter zuhause hatte. Als ich im Chor als Kind war, hat mir ein Lehrer gesagt, ich solle vielleicht mit klassischem Gesang anfangen. Mit fünfzehn habe ich angefangen, klassische Musik und Musiktheorie zu studieren, Klavier spielte ich schon ein bißchen. Eigentlich war ich gar nicht überzeugt, bis ich die Prüfung für das Konservatorium bestanden hatte. Dann habe ich mir gedacht, weil ich den ersten Platz gewonnen hatte, daß das tatsächlich möglich ist.“

Hätte es Alternativen zum Sängerberuf gegeben?„Ich habe viele Sachen geliebt als Teenager, ich war auf einer normalen Schule, habe Chemie und Geschichte gerne gelernt, darum habe ich ein bißchen überlegt. Ich habe immer überlegt, ob ich das wirklich tun möchte, ich glaube, mit achtzehn war ich sicher.“

Nach dem Studium an der Nationalen Universität für Musik in Bukarest kam Iulia Maria Dan nach München ins Opernstudio des Nationaltheaters. „Im Opernstudio habe ich das Gefühl gehabt, eine richtige Ausbildung zu erhalten. Wir hatten viele Lehrer für Meisterkurse, ich habe dort endlich verstanden, wie der Körper funktioniert, wenn man singt, was die Stimmbänder machen.“ Es sei sehr technisch und sehr professionell mit viel Gewicht auf eine solide Basis und weniger allein auf den schönen Klang unterrichtet worden. Von dieser Grundlage, die sie dort erhalten hat, erzählt sie noch immer mit großer Begeisterung.

Sie sang in München hauptsächlich kleine Partien, lernte aber sehr viel während der Proben und der Opernstudio eigenen Produktionen, wo sie häufig Hauptpartien singen konnte. Nach der Opernstudio-Zeit blieb sie noch ein Jahr im Ensemble des Nationalheaters. In ihrer Münchner Zeit standen neben Partien wie Frasquita, Giannetta, Hilda Mack („Elegie für junge Liebende“), Jano, Papagena und Füchslein Schlaukopf auch die Mitwirkung an der Uraufführung „Babylon“ von Jörg Widmann an.

„Ich habe dann einen Repertoire-Wechsel gemacht und einen Agenten gefunden, der Vertrauen in mich hatte“, erzählt Iulia Maria Dan begeistert und vielleicht immer noch ein bißchen ungläubig. „Ich hatte das gleiche Repertoire seit dem Konservatorium und habe versucht, auch andere Sachen zu singen. Ich hatte immer das Gefühl, ich muß in eine andere Richtung gehen, um mich zu entwickeln. Ich habe zuhause ein bißchen experimentiert, z. B. mit Mimis Arie, und habe gespürt, das ist der richtige Weg. So habe ich das Vorsingen bekommen und bin sehr froh, daß ich all diese neuen Sachen nun hier in Hamburg machen kann.“

In der Hansestadt scheint sie sich sehr wohl zu fühlen. „Es war wirklich ein Traum, als ich die Nachricht bekommen habe. Ich fühle mich ganz nahe an den Charakteren, die ich jetzt singe. Eigentlich mag ich alles, was ich singe. Wenn man probt und in den Charakter hineinkommt, findet man immer etwas, das man liebt. Die Figuren, die ich hier verkörpern kann, sind natürlich facettenreicher als mein früheres Repertoire, das bringt schon viel Freude.“

Foto: Hamburgische Staatsoper
Iulia Maria Dan (rechts) mit Katerina Tretyakova
 "Le nozze di Figaro"

Man habe als junge Sängerin Vorbilder, Ideen im Kopf, wie diese eine Partie gesungen haben. Manchmal sei es schwierig, weil man denke, man müsse das wie andere machen. Es sei nicht ganz einfach, sich in diesen Partien selbst zu finden. „Mit Rosalinde hatte ich das Gefühl, ich sollte so spielen, daß ich eine reifere Dame wäre, es hat viel Spaß gemacht, aber in Tatjana habe ich mich viel mehr selber gefunden. Rosalinde war wirklich ein Charakter für mich, Tatjana war mehr ein echter Mensch, mir viel näher. Meine Persönlichkeit ist ein bißchen melancholisch, ich fühle mich viel schneller und einfacher in diese Art Charaktere ein.“ Allerdings würde sie auch gerne Partien wie Susanna in „Nozze di Figaro“ singen.

Sie bezeichnet Tatjana als ihre aktuelle Lieblingsrolle. „Es hat mich überrascht, wie sehr ich diese Partie geliebt habe.“ Meist sei es so, daß die aktuelle Rolle ihre Lieblingspartie ist, aber Tatjana ist geblieben und sie glaubt, das werde sich auch nicht ändern.

Das nächste große Projekt ist die Agathe im „Freischütz“ in den nächsten Wochen. Worauf freut sie sich in der Spielzeit 2016/17 in Hamburg? „Ich liebe alles, was ich nächste Saison mache, es ist ein Repertoire, das ich mit Freude singen werde. Mimi sowieso, das freut mich unglaublich, erneut die ‚Figaro’-Gräfin, das ist sehr schön, weil es das erste Mal ist, daß ich eine Partie wiederaufnehme, ‚Guillaume Tell’, ich liebe es auf französisch zu singen, Helena im ‚Midsummer Night’s Dream’, das ist ganz schöne Musik, und die Erste Dame in der ‚Zauberflöte’.“ Hinzu kommt noch die Ofelia in Franco Faccios selten gespielter Oper „Amleto“ in Bregenz

Mozart nimmt sie jetzt auch schon immer als Übung, es sei immer gut für die Technik, um die Stimme frisch zu halten. „Als ich Fiordiligi gesungen, habe ich soviele Sachen entdeckt. Man fühlt sich wirklich nackt bei Mozart, weil alles kommt aus der Technik. Naürlich muß es ausdrucksvoll sein, es ist nicht so einfach, wenn man nicht die richtige Technik hat.“

Wie ist ihr Blick auf die manchmal eher „wilden“ Produktionen hierzulande? In Rumänien, erzählt sie, seien die Produktionen eher klassisch, daher sei es am Anfang ein bißchen schwierig gewesen, aber „wenn man wirklich anfängt zu verstehen und den Unterschied macht, zwischen guten und weniger guten modernen Produktionen – nur neu ist nicht unbedingt gut – erhält man die Freiheit, wirklich auch einen Charakter zu gestalten, ein bißchen realistischer, nicht nur als Kunstform und ein bißchen ästhetisch. Dann ist es auch für den Künstler auf der Bühne befriedigender. Es kann ganz interessant sein, wenn es nicht nur Selbstzweck ist. Ich mag es, denn es bringt mich zum Nachdenken.“

Aktuell ist Iulia Maria Dan sehr beschäftigt, neue Partien zu lernen, findet aber auch noch für andere Dinge Zeit. „Ich habe einen Hund, eine französische Bulldogge, mit der ich mich viel beschäftige. Er hat soviel Energie. Ich lese viel. Ich schaue mir gern andere Sängerinnen und Sänger auf Youtube an. Das ist eine Leidenschaft von mir, genau zu schauen, wie sie singen, wie sie technisch Dinge lösen.“ Ein bißchen Zeit für Freunde und Yoga bleibt auch.

Kiri Te Kanawa und Anna Tomowa-Sintow gehören zu ihren Lieblingssängerinnen. „Ich versuche, wenn ich eine deutsche Partie singe, eine deutsche Künstlerin anzuschauen, und so auch in anderen Sprachen. Ich versuche viel, die alte Schule anzusehen.“

Welche Partie ist ihr Traum für die fernere Zukunft? „Ich würde gerne die Marschallin singen – irgendwann hoffentlich, wegen des Charakters und der Musik. Ich mag die reifen Figuren, die schon ein bißchen Erfahrung haben. In München habe ich Renée Fleming als Marschallin erlebt, und bei diesem letzten Terzett habe ich jedes Mal geweint. In einer Probe war ich sehr beeindruckt. Ich war nicht sicher, ob sie spielt oder sie selbst war. Ich stand an der Seite und habe sie angeguckt, als sie die erste Arie beendet hatte, und ich wußte nicht, ob sie jetzt spielt, es war wirklich eine feine Grenze. Man kann wirklich mit diesem Charakter als Frau einfach mitfühlen. Ich möchte das, ich liebe es, wenn ich auf der Bühne mich selber in einer Partie finden kann.“ Diese Geschichte erzählt nicht nur viel über die Kollegin, sondern auch über die junge Künstlerin, die uns gegenübersitzt und mit solcher Leidenschaft für das, was ihr Beruf ist, brennt.

„Ich bin ein Mensch, der viel Verantwortung liebt,“ sagt sie etwas später. „Wenn ich etwas weniger zu tun hatte, z. B. in einer kleinen oder mittleren Partie früher, hatte ich immer das Gefühl, mich beweisen zu müssen. Ich hatte Lampenfieber, weil ich das Gefühl hatte, daß ich immer mehr machen sollte und daß es nie gut genug war, aber eigentlich liegt es nur daran, daß man keine Zeit hatte, auf der Bühne etwas zu entwickeln. Ich war nie zufrieden. Jetzt kann ich meine Zeit auf der Bühne genießen, dann hat man kein Lampenfieber mehr. Ich weiß, was ich tue, das ist auch wichtig und kommt mit der Erfahrung, wenn man wirklich einen Plan hat. Wenn ich etwas schwieriges singe, weiß ich nun genau, was ich tun soll.“

Wer noch kein Opernfan ist, der sollte sich vielleicht Iulia Maria Dan einmal auf der Bühne anschauen, um sich von ihrer Liebe zum Beruf anstecken zu lassen. Opernfans sollten sich in jedem Fall mindestens eines ihrer zukünftigen Rollenporträts anschauen. Egal, ob Tschaikowsky, Strauß, Mozart oder welcher Stil auch immer, sie findet den idealen Weg, die Gedanken, die sie sich zu Musik und Figur macht, dem Publikum nahezubringen.
MK & AHS (Mai 2016)

Fotos: Kartal Karagedik Photography, Hamburgische Staatsoper