„Die Zauberflöte“ – 28. April 2018

Wie irre ist das denn?! Eine Mozart-Aufführung, in der ich mich nicht eine Sekunde gelangweilt habe. Und das in der „Zauberflöte“, eine Oper, die je nach Interpretation mal mehr, mal weniger ihre Längen hat.

Wie bereits mit „Mass“ in der letzten Spielzeit ist es Tom RYSER gelungen, die Geschichte frisch und für den Zuschauer in jeder Sekunde interessant zu erzählen. Dabei bedient er sich stilistischer Mittel, die in ihrer Einfachheit genial sind. Man sieht weder überzogene Freimaurersymbolik, noch eine zu sehr auf Kinder getrimmte Produktion.

Eine Hochzeit mit Entführung der Braut? Oder doch des wohl noch zweifelnden Bräutigams? Gut. Papageno singt zwar auf Deutsch, kann aber bis auf wenige, zum Teil neu erlernte Wörter nur in der Muttersprache seines Sängers sprechen? Funktioniert grandios, ohne daß man ein Wort versteht.

Die Schlange? Jeder der auf einer Familienfeier o.ä. auf der Flucht vor der Polonaise war, kann Taminos Panik verstehen. Tom Ryser bewegt hierbei die Massen, aber auch einzelne Sänger so unauffällig in die passenden Positionen, daß man ein gutes Bild von Personenregie wie sie sein sollte bekommt.

Auch die Ausstattung von Stefan RIECKHOFF transportiert die Geschichte perfekt und schafft mittels Technik und der zur Wandlungsfähigkeit verdammten Requisiten immer wieder interessante Bilder. Jeder Stuhl, jedes überdimensionierte Tuch und jede einzelne Stehlampe trägt zu den Verwandlungen bei. Die wieder genialen Lichteffekte (mal wieder) von Falk HAMPEL stützen die perfekt ausbalancierten Stimmungen ebenso gut.

Juraj HOLLÝ hielt als Tamino, was seine Stimme in den kurzen Auftritten in „Der ferne Klang“ schon versprochen hatte. Fernab von Mozartgesäusel und übertriebenem Pathos gelang ihm die Balance zwischen Rahmenhandlung und eigentlicher Oper ausgesprochen gut. Sein Prinz ist Liebender, Zweifelnder und Held. Seine Stimme klingt dabei schön und sicher, besticht aber besonders durch ihren angenehm warmen, farbenreichen Klang.

Johan Hyunbong CHOI ist mit seinem Papageno sicherlich der Liebling des Publikums, und er macht seine Sache auch wirklich gut. Seinen Hang zum Überschwang konnte er hier in passende Bahnen lenken und bewies sich als lyrisch gut geschulter Bariton. Wenn er dann am Ende mit seiner Papagena belohnt wird, paßt Claire AUSTIN perfekt in diese Rolle, die sie stimmlich ebenso gut ausfüllte wie mit ihrer natürlichen, fröhlichen Art zu spielen.

Jeder Zoll eine wahre Königin (der Nacht) war Erica ELOFF. Ihre Allüren als Brautmutter aus der Hölle mit Sonnenbrille und stets griffbereiter Zigarette wirkten ziemlich skurril, aber nie überzogen. Nicht nur als Figur präsent, sondern gesanglich grandios mit einer Stimme, die selbst in den Höhen der Rachearie nie ins Schrille abglitt, sondern stets sauber und farbenreich klang. Kurz gesagt: der Hammer.

Denis VELEV hat man in Hamburg schon gehört. Sarastro kommt für seine Stimme vielleicht etwas zu früh, doch mit seiner Agilität und seiner Spielfreude paßt er perfekt in diese entstaubte Interpretation, und man merkte im Laufe des Abends, daß er rasch in die Partie hineinwachsen dürfte.

Andrea STADEL hinterließ als Pamina einen zwiespältigen Eindruck. Ein ums andere Mal dachte man, ja, genau so, dann aber verfiel sie wieder in diese leicht altjüngferliche Art, die sich auch im Gesang niederschlug. Ähnlich verhielt sich das auch mit Svjatoslav MARTYNCHUK als Monostatos, der Figur und deren Zwiespalt zwischen Dienen und Begehren gut in Szene setzte und die Partie zumeist auch gut sang, dann aber auch Momente hatte, in denen es nicht passen mochte.

Als zwei der drei Damen präsentierten Caroline NKWE und Iuliia TARASOVA das Opernstudio stimmlich bestens disponiert und mit unglaublich viel Spielfreude; ergänzt von Michaela LUCAS, die mit ihrem warmklingenden Mezzo einen schönen Kontrast in die Gruppe brachte. Darstellerisch war das Trio top.

Gerard QUINN ist als Sprecher und 1. Priester eine Luxusbesetzung, präsentierte aber auch diese kleine Rolle gewohnt professionell. Tomasz MYSLIWIEC stand ihm als 2. Priester mit einer recht ordentlichen Leistung zur Seite. Lucas KUNZE ergänzte als 3. Priester. Ian Alec JANS, Timon JANNECK und Glenn MALY von der Lübecker Knabenkantorei an St. Marien sangen die drei Knaben und hatten viel Spaß am Spiel.

Unbedingt genannt werden müssen Hojong SONG und Minhong AN, die als 1. und 2. Geharnischter eine höchst beeindruckende Gesangsleistung ablieferten – und die Choreographie perfekt umsetzten.

Bei CHOR und EXTRACHOR (Leitung: Jan-Michael KRÜGER) waren die Damen einen Tick besser disponiert als die Herren. Insgesamt ließ man aber eine mehr als solide Leistung hören.

Aus dem Graben hörte man Mozart ebenso frisch wie man ihn auf der Bühne sehen konnte. Das Publikum feierte Andreas WOLF und das PHILHARMONISCHE ORCHESTER begeistert und auf Grund der erstklassigen musikalischen Leistung überaus verdient. Egal, was auf dem Spielplan steht, das Lübecker Orchester packt aktuell jede Herausforderung scheinbar mühelos. Und so hatten die Damen und Herren einen wesentlichen Anteil an der längenfreien Mozart-Interpretation. AHS