„Die tote Stadt“ – 28. November 2015

Das Programm für die neue Spielzeit ist immer ein bißchen aufregend, zumal wenn eine neue Intendanz einem Haus seinen Stempel aufdrücken will. Wer bleibt? Wer geht? Auf welche Art von Musik wird zukünftig Wert gelegt? etc. Der erste Spielplan der neuen Hamburger Leitung las sich ganz okay und enthielt eine echte Überraschung.

Erich WÄCHTER ist zurück im Norden, und das war nicht nur Grund für Partystimmung beim Spielplanlesen, sondern auch tatsächlich Veranlassung, sich allein wegen des Dirigenten eine Karte zu kaufen. Schließlich wurde mit diesem Korngold-Dirigat ein langgehegter „Das mal hören von“-Wunsch erfüllt.

Man hörte, gut einstudiert, Klänge zwischen Spätromantik und Moderne, eben höchst variantenreiche Musik aus dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts mit eindeutigen Wiener Wurzeln und Anklängen an Strauss, aber auch an Lehar. Pierrots Lied von jeglichem Pathos befreit lud hier tatsächlich zum Tanzen ein. Insgesamt war das Hauptaugenmerk hier aber nicht auf das reine Schwelgen in der Musik gelegt. Das Dirigat war zupackend, reich an Klangfarben und irgendwie einfach nur schön.

Erfreulich war, daß das PHILHARMONISCHE STAATSORCHESTER einen perfekten Abend hatte und dem Dirigenten engagiert und motiviert folgte. So sauber, fehlerfrei und konzentriert spielend wünscht man sich das Orchester häufiger im Repertoire.

Torsten KERL zeigte sich weder der Rolle, noch dem Haus gewachsen. Man hörte ihn fast ausschließlich im Dauerforte, was eigentlich gar nicht notwendig war. So lassen sich die schwärmerischen Ausbrüche Pauls und seine Trauerstimmung eher schwerlich singen, und so blieb dessen Gefühlsleben stimmlich auf der Strecke.

Marietta wurde von Sara JAKUBIAK ausschließlich unsympathisch angelegt. Selbst die Koketterie und ihr Flirten wirkten aufgesetzt. Das kann man machen, und es paßt wohl auch, läßt die Figur selbst den kompletten Abend über recht eindimensional wirken, insbesondere wenn die Stimme wenig vielschichtig daher kommt.

Alexey BOGDANCHIKOV gehört zu den neuen Ensemblemitgliedern. Er konnte schon im Oktober als Posa überzeugen. An diesem Abend überlegte man, ob Frank/Fritz nicht vielleicht etwas zu früh für ihn kommt. Seiner Stimme fehlte noch jene Abgeklärtheit und emotionale Kraft, die er in der Darstellung besonders in der zweiten Hälfte durchaus bieten konnte. „Mein Wähnen, mein Sehnen“ meisterte er sehr gut.

Marta SWIDERSKA hatte ihre besten Momente als Brigitta im zweiten Akt. Maria CHABOUNIA (Juliette) ergänzte sich perfekt mit Gabriele ROSSMANITH (Lucienne). Beide brachten diese echte Lebendigkeit und gesangliche Flexibilität auf die Bühne, die man bei Marietta vermißte. Ihnen zur Seite machten Jun-San HAN (Victorin) und Daniel TODD (Graf Albert) mit ebenso guten Leistungen das ausgezeichnete Ensemblequartett perfekt.

Der CHOR (Leitung: Eberhard FRIEDRICH), der in dieser Produktion mehr zum Bewegungschor mutiert, fiel gesanglich positiv auf und bewarb sich szenisch durchaus für die nächste TWD-Staffel.

Begeisterter Schlußapplaus im recht gut verkauften Haus.
AHS