„Das Phantom der Oper“ – 28. Mai 2014

Ungefähr 12 ½ Jahre nach der letzten Aufführung kehrte Andrew Lloyd Webbers wohl berühmtestes Musical auf die Bühne der Neuen Flora zurück. Gerüchten zufolge soll es die Fortsetzung „Love never dies“ einleiten. Wenn man sich die Produktion jedoch anschaut, sollte es mal besser dort bleiben – nicht zuletzt, weil letzteres in London ein ziemlicher Flop war.

Die Regie von Harold PRINCE besticht durch eine tolle Atmosphäre, welche einen in den Bann zieht. Die Variabilität der Bühnenbilder (Production Design: Maria BJÖRNSoN) ist erstaunlich. Innerhalb kürzester Zeit gelingt es, einen kompletten Szenenwechsel zu vollziehen. Am meisten beeindruckte mich das Finale des ersten Aktes, wenn das Phantom plötzlich auf einer Skulptur steht, die vom ganz oben herabgelassen wird.

Musikalisch gibt es einige Abstriche zu machen, die aber nur bedingt den ausführenden Künstlern anzulasten sind.

Mathias EDENBORN (Phantom) begann quasi mit dem Messer zwischen den Zähnen, gerade so als ob er gleich alle auf der Bühne abschlachten würde. Er fing sich glücklicherweise schnell wieder, fiel jedoch im ersten Teil durch etwas zu ausladende Bewegungen auf. Ihm gelangen zwar immer mal wieder sehr schöne Momente, aber im Großen und Ganzen war er mir nicht mystisch genug und konnte mir sein Leiden nicht wirklich greifbar machen. Eine solide Leistung – mehr aber auch nicht.

Michelle VAN DE VEN als Christine war schlicht zu viel Mädchen und zu wenig Frau. Abgesehen von ein paar piepsigen Tönen in der Höhe sang sie in Ordnung, blieb der Rolle aber Tiefgang schuldig. Den Zwiespalt der Etnscheidung zwischen Raoul und dem Phantom habe ich ihr nicht abgekauft.

Nicky WUCHINGER (Raoul) sang von den drei Protagonisten am Besten – über seine tänzerischen Fähigkeiten schweige ich mal lieber. Jedoch habe ich nach der Dachszene eher gedacht, daß er erstmal eine Runde Golf spielen geht – nach dem Motto: „Die kriegt sich schon wieder ein.“ – und nicht kurz darauf sein Leben riskiert.

Für Spaß auf der Bühne sorgten fast ausnahmslos die Nebendarsteller. Debra FERNANDES gab eine herrlich affektierte Carlotta und Antonio RIVERA stattete den Piangi mit allen Klischees aus, die es so über Tenöre gibt und sang dazu noch sehr ansprechend. Die großartige Michaela CHRISTL hatte als Madame Giry genau die geheimnisvolle Ausstrahlung, die ich bei Edenborn vermißt habe. Guido GOTTENBOS und Anton RATTINGER sorgten als André und Firmin für mächtig Laune auf der Bühne. Einzig Hinako SAKURAOKA blieb als Meg Giry in negativer Erinnerung.

John KUETHER wirkte als Auktionator zu gewollt mysteriös, sang aber solide als Don Attilio und Passarino. Norbert KOHLER (Reyer), Christian THEODORIDIS (Buquet), Martin RÖNNEBECK (Lefèvre/Hauptmann) und Tanja PETRASEK (Ankleiderin/Confidante) ergänzten solide.

Das Dirigat von Klaus WILHELM war nicht pointiert genug. Er hielt das kleine ORCHESTER zwar zusammen, aber konnte keine rechte Stimmung erzeugen. Erschwerend hinzu kam, daß das Orchester elektronisch verstärkt wurde (Sound Design Mick POTTER), was sich insbesondere sehr negativ auf die Streicher auswirkte, bei denen mir persönlich die Höhen zu stark präsent waren. Es fehlte einfach das Volumen, was auch negative Auswirkungen auf die allgemeine Atmosphäre hatte, von der das Stück so sehr lebt.

Ich komme zudem nicht umhin zu betonen, daß 18 Euro für ein Programmheft eine Unverschämtheit sind. Trotz alledem ist es eine sehr empfehlenswerte Produktion, die auch mal wieder zeigt, was Musical so alles kann. Und wenn man trotz mittelprächtigen Phantoms und leidlich unspannendem Dirigat am Ende dennoch eine Gänsehaut hat, ist das doch auch eine Menge wert…
WFS