„Tanz der Vampire“ – 18. Januar 2018

Einige Sachen kann man jahrelang erfolgreich vermeiden, bis es einen dann doch erwischt. Mir so geschehen beim in meinem Freundes- und Familienkreis seit langem ausgesprochen beliebten Musical „Tanz der Vampire“.

Das Werk aus den Federn von Jim Steinman, auf jeden Fall als Songschreiber für Bonnie Tyler und Meat Loaf bekannt, und Michael Kunze, der bei eignen Texten offensichtlich ein glücklicheres Händchen besitzt als bei seinen Übersetzungen englischsprachiger Musicals, basiert auf Roman Polanskis Film gleichen Namens. Es bietet neben komischen Elementen ausreichend Raum für genretypische Seelenschmeichler und Musik, an der man sich ähnlich wie beim „Phantom der Oper“ oder „Les Mis“ einfach nicht satthören kann.

Die Show, die im Rahmen der „Stage Tour“ auf die Bühne des Stage Theaters an der Elbe gebracht wurde, ist in jeder Hinsicht ganz großes Kino. Aber nicht allein die exzellent umgesetzten Effekte, die gut choreographierte Beleuchtung und schnellen, reibungslosen Bühnenbildwechsel sind beeindruckend. Die Produktion besticht vor allem durch eine grandiose Personenführung, die sich nicht nur auf die Hauptdarsteller beschränkt, sondern das komplette Ensemble einschließt. Man wünscht sich, daß so mancher Opernregisseur sich hier einmal anschaut wie man nicht nur größere Menschengruppen effektvoll agieren läßt, sondern diese auch problemlos, in Stück konformer Weise von der Bühne wieder runterbekommt.

Ein erstes großes Plus für den musikalischen Teil des Abends waren das ORCHESTER und sein Leiter Leif KLINKHARDT. Ob rockig, Menuett oder Walzer – alles klang perfekt und schmissig aus dem Graben, ohne daß es irgendwann überengagiert wirkte.

Neben Technik und Orchester sind es natürlich die Künstler auf der Bühne, die das Stück zum Leben erwecken. Sander VAN WISSEN und Gonzalo CAMPOS, Thijs KOBES, Pascal HÖWING, Pamina LENN, Anja WENDZEL, Elise DOORN sowie Janis VAN DORSSELEAR gehören für ihre tolle Leistung als Gesangsensemble ebenso genannt wie ihre Kollegen Andrea Luca COTTI, Jack WIDDOWSON und Astrid GOLLOB, Albert Jan KINGMA, Sonny GRIEVESON, Lorenzo ECCHER, Veronika ENDERS, Lisa KÜHN, Molly HUNT und Nicole OLLIO, die die nicht wenig anspruchsvollen Choreographien mit viel Energie und Präzision tanzten.

Und selbstverständlich steht und fällt so ein Abend mit den Solisten.

Bei den Damen bestachen vor allem Yvonne KÖSTLER (Rebecca), die mit ihrer grandiosen Stimme beeindruckte, und Sara Jane CHECCHI, die als Magda die Wandlung von der sittsamen Magd zum rothaarigen Vamp (im wahrsten Sinne des Wortes) zum Vergnügen machte. Die Sarah des Abends hinterließ einen weniger guten Eindruck. Eigentlich gut gespielt, schien Maureen MAC GILLAVRYs Stimme gerade für die exponierten Momente nicht gemacht und neigte dort zu einem teilweise recht schrillen Klang. Schade, denn die Figur an sich wurde von ihr gut, keineswegs eindimensional dargestellt.

Ein in seiner unbeholfenen Art ausgesprochen knuffig war der Alfred von Tom VAN DER VEN. Daß er so kaum eine Chance bei Sarah hatte, überraschte wenig, aber stimmlich überzeugte er auf ganzer Linie. Christian FUNK (Herbert) profitierte nicht nur gesanglich von seiner Musikalität, sondern gerade auch in der von ihm sehr exakt dargebrachten Tanzszene mit Alfred.

Bedauerlich war, daß Victor PETERSEN Prof. Abronsius als reine Witzfigur anlegte. Da half auch seine Stimmakrobatik nichts. Es blieb eine verschenkte Chance. Kirill ZOLYGIN gelang es wesentlich besser, Tragik und Komik seiner Figur zu transferieren, und überzeugte auch gesanglich. Musikalisch und vom Charakter her liegt Chagal ebenso dicht an Tewje aus „Anatevka“ wie der Professor verdächtig nach Gilbert und Sullivan klingt. Sei’s drum. Spaß macht es allemal. Jacob FEAREY hatte als Koukol zwar nichts zu singen, war aber ein grandioser Szenendieb.

Und der Graf? Jan KRIZ nennt eine ausgesprochen schöne Musicalstimme mit großer Bandbreite und warmen Stimmfarben sein Eigen. Er verlieh von Krolock die nötige Autorität und faszinierte mit seiner Ausstrahlung, die der Figur mystisch und geheimnisvoll erscheinen ließ, ihr in den passenden Momenten aber auch die nötige Tragik oder einen gewissen Humor verlieh.

Mein Ausflug in die südlichen Karpaten endete mit drei weiteren Besuchen auf jener Seite der Elbe bis zum Ende der Tour-Station in Hamburg, und es sind bestimmt nicht meine letzten Begegnungen mit diesem Musical gewesen. AHS