„Il barbiere di Siviglia“ –1. Januar 2015

Es gibt diese Vorstellungen, von denen man sich einen netten Abend verspricht, aber keine unvergeßlichen Erlebnisse, und plötzlich feststellt, daß da ein perfekt aufeinander abgestimmtes Ensemble auf der Bühne steht, welches überaus spontan und mit überbordender Spielfreude agiert. Die Inszenierung von Gilbert DEFLO hindert das Spiel nicht; stattdessen hat man den Eindruck, daß ein Sänger zwischendurch eigene Einfälle einbringt, auf welche der jeweilige Partner dann vollkommmen natürlich und schlagfertig reagiert. Eine wirklich ganz große Ensembleleistung, wobei dies nicht bedeuten soll, daß die stimmlichen Einzelleistungen untergingen.

Rodion POGOSSOVs Figaro Spielfreude zu unterstellen, wäre eine gewaltige Untertreibung. Er ist immer in Bewegung, immer hochpräsent, zu jedem Zeitpunkt bereit, zu reagieren. Seine stimmliche Leistung ist dabei exzellent, ohne jeden Makel, selbst wenn er noch so über die Bühne tobt. Er dürfte zudem unter den Sängern seiner Generation der beste Imitator anderer Stimmen sein. Daß Edgardo ROCHA als Almaviva hier ohne weiteres mithalten kann und auf die spontanen Einfälle Pogossovs ebenso spontan reagiert, ohne je zu überziehen, ist nicht selbstverständlich. Zudem verfügt der Tenor über ein angenehmes, alles andere als weißes, Timbre und einen weichen Tonansatz, wobei er, wenn nötig, auch attackieren kann.

Tara ERRAUGHT zeigte sich enorm verbessert im Gegensatz zu ihrer Rosina vom Mai 2012, die mich wenig begeistert hatte. Die Stimme klingt jetzt wie aus einem Guß mit einer außergewöhnlich guten Höhe, und ihr Spielwitz steht inzwischen dem der beiden oben genannten Herren in nichts nach. Sie gestaltet nunmehr die Partie auch vorbildlich. Katja PIEWECK, die sich inzwischen ein ganz anderes dramatisches Repertoire erarbeitet hat und für die Berta somit eine Überüberbesetzung ist, hat trotzdem Spaß daran, und leistet sich am Ende ihrer Arie einen echt hochdramatischen Spitzenton, über den sie dann selbstironisch erschrickt.

Als Basilio erinnerte Tigran MARTIROSSIAN erneut daran, daß er keineswegs auf das seriöse Fach festgelegt ist, sondern eben auch ein großer Komödiant sein kann. Sein letztes „Buona sera“ im zweiten Akt bekam dann mit großer Baßdramatik fast eine tragikomische Note. Renato GIROLAMI ist als Bartolo seit Jahren eine vertraute Größe; kaum jemand in diesem Fach verfügt über ein vergleichbar schnelles Parlando, ein komödiantisches Timing und dabei stimmliche Kraft. In diesem Umfeld jedoch wächst er noch über sich hinaus, da alles, was er gibt, auch von den Partnern zurückkommt.

Das einzige, was das Vergnügen des Abends leider etwas trübte, war das wenig animierte, manchmal gar langatmige Dirigat von Daniel CARTER, was keineswegs einer Mattigkeit nach den vergangenen Feiertagen geschuldet sein kann, da die Vorstellungen am 22. und 30. Dezember 2014 ähnlich klangen. Die PHILHARMONIKER HAMBURG waren auch nicht gerade bestens aufgelegt.
MK