„Tosca“ – 14. Juni 2014

Menschen, die sich im deutschsprachigen Internet herumtreiben, werden früher oder später wissen, daß es Bielefeld nicht gibt. Ich muß jedoch feststellen, daß diejenigen, welche versuchen, diese Verschwörung zu vertuschen, einen beträchtlichen Aufwand betrieben haben, die Legende der Existenz dieser Stadt aufrecht zu erhalten. Dazu zählt auch ein Theater, an dem eine musikalisch größtenteils hervorragende Tosca gespielt wurde.

Szenisch war das jedoch eine einzige Katastrophe. Es ist ja nichts gegen eine Neudeutung einzuwenden und nicht alles, was im Text vorkommt, muß auch auf der Bühne zu sehen sein, aber wenn so gar nichts mehr von dem Stück vorhanden ist, stellt sich schon die Frage, ob Sebastian BAUER überhaupt wußte, was er da inszeniert – zumindest welche Kunstform… Ich hatte gefühlt mehr Augenkontakt mit der Einlaßdame, als irgendein Protagonist mit einem anderen. Aber auf der anderen Seite verstehe ich schon total, daß der Hirte eine so wahnsinnig große Bedeutung für das Stück hat, daß er Tosca das Messer gibt und fast den kompletten 3. Akt anwesend ist! Im kargen Bühnenbild von Michael GRAESSNER agierten die Sänger in nicht immer kleidsamen Kostümen von Kathi MAURER. Cavaradossis Outfit wurde vermutlich Ende der Achtziger gesetzlich verboten, und seine Perücke erinnerte mich an die Tom Buhrow-Parodie von „Switch Reloaded“. Man muß der Produktion jedoch zu Gute halten, daß sie sich bestens ignorieren läßt – zwei Pausen sind allerdings doch eine zu viel…

Paul O’NEiLL bestach als Cavaradossi durch eine sehr schöne und ebenso gut geführte Stimme. Auf diese hat er sich jedoch nicht nur verlassen. Ihm gelang alles in allem ein insgesamt rundes Rollenportrait. Gerne wieder!

Soojin MOON (Tosca) hinterließ einen nachhaltigen Eindruck. Sie hat die Rolle total verinnerlicht, wirkt niemals gekünstelt, statt dessen vermittelt sie ein ausgesprochen differenziertes Bild der Diva. Toscas Art ist bei ihr kein oberflächliches Stargehabe, sondern reiner Selbstschutz. Den Bruch in Toscas Fassade zum herausragenden „Vissi d’arte“ habe ich noch nie so wahrgenommen wie hier.

Frank Dolphin WONGs Scarpia hingegen mangelte es doch gehörig an Zwischentönen. Er ist eigentlich überwiegend vordergründig böse und weniger unterschwellig fies, wie ich die Rolle am liebsten höre.

Unter den Nebenrollen fiel insbesondere Moon Soo PARK als Angelotti positiv durch eine spannende Stimme auf. Mark COLES (Mesner), Lianghua GONG (Spoletta), Ramon RIEMARZIK (Sciarrone), Yun Geun CHOI (Schließer) und Sarah DAVIDOVIC (Stimme des Hirten) ergänzten solide. Ellen BORN spielte den Hirten.

Alexander KALAJDZIC holte aus den toll aufspielenden BIELEFELDER PHILHARMONIKERN einen sehr süffigen Sound raus. Das Finale des zweiten Aktes habe ich noch nie so intensiv gehört. Was man vom CHOR (Hagen ENKE) aus dem Off hörte, klang durchaus hörbar. Die CHORINIS (Shaya VAN DEN BERG) klangen so vollstimmig wie so mancher normale Chor.
WFS