„La Traviata“ – 25./27. Mai 2015

Im Doppelpack

Wenn man Gelegenheit hatte, ein und dieselbe Oper innerhalb von zwei Tagen zu hören und zu sehen, dann sollte man diese Aufführungen in einer Besprechung gegenüber stellen. Wegen Rolando VILLAZONs Inszenierung dieses Giuseppe-Verdi-Werks fuhr man gerne nach Baden-Baden, um die Inszenierungsideen dieses Welttenors, der jetzt nicht nur als Opernregisseur, sondern neben seiner Bühnenaufgaben auch noch als Buchautor arbeitet, zu erleben, und auch um die in München stark vernachläßigte Belcanto-Sopranistin Olga PERETYATKO in dieser Partie als Violetta Valery zu erleben.

Rolando Villazon stellt seine Inszenierung genauso wie der Regisseur der Münchener „Traviata“ Günter KRÄMER auf eine Erzählung der Geschichte durch Violetta dar, in Baden-Baden zählte Violetta zu Beginn ihre Lebensstunden anhand einer Lebensspieluhr, während in München die Geschichte der Traviata an ihrem Grab rückwirkend zu leben beginnt. Rolando Villazon verlegte die ganze Oper in eine Zirkusmanege mit Clowns und Zirkuskünstlern (BALTHASAR-NEUMANN-CHOR – gute Einstudierung von Detlef BRATSCHKE – dazu die Tänzer und Akrobaten Marie LE ROY, Julia JANSON, Amin ELBATKAOUI, Paolo HANDEL, Matthieu SPARMA) und wollte damit zum Ausdruck bringen, daß wohl das ganze Leben der Violetta ein einziger Zirkus war. Dazu erdachte Rolando Villazon die Seele der Violetta in Gestalt einer Trapezkünstlerin (Susanne PREISSLER), die sich im Einklang des Librettos von Francesco Maria Piave und der Musik Giuseppe Verdis auf der Bühne bewegte. Diese Regiegedanken von Rolando Villazon kann man in der Gesamtheit als durchdacht und publikumsansprechend bezeichnen, obwohl man „Traviata“-Kenner aus dem Publikum vernahm, die glaubten, in einer anderen Oper zu sein. Man muß sich mit einem Trend zu Veränderungen in vielen klassischen Werken wohl als Opernfreund abfinden.

Auch die einige Jahre schon auf dem Buckel habende Münchener Inszenierung von Günter Krämer veranlaßte einstmals das Publikum zu Kritik, ist sie wohl im Bühnenbild etwas zu dunkel geraten und hat besonders im 1. Akt ihre Tücken, das „Brindisi“ wird mit grüngefärbtem Mixgetränk und seltsamen Trinkbewegungen gesungen, auch kommen im letzten Bild karnevalfeiernde Pariser in Totenmaske auf die Bühne (Andreas REINHART), alles in allem hat man sich aber an diese Inszenierung gewöhnt, und kann sich hier voll auf die Musik und die Handlung konzentrieren. Zumal, wenn auch die Interpreten des Abends einen Verdi-Abend hervorragend gestalten.

In München stand Oksana LYNIV am Pult, einfühlsam und doch schwungvoll dirigierte sie das BAYERISCHE STAATSORCHESTER, war in der Sängerführung perfekt und stellte sich durch diesen Abend als bestgeeignete Verdi-Interpretin vor.

In Baden-Baden dagegen versuchte Pablo HERAS-CASADO, jede Note auszudirigieren und neigte dadurch erheblich zu Verschleppungen, wo es auch die Interpreten manchmal schwer hatten.

In der Rolle der Violetta erlebte man Olga Peretyatko, die mit den ihr eigenen ausgefeilten Koloraturen und piani, ihrer starken Bühnenpräsenz für diese Rolle geradezu prädestiniert erscheint, ihr Bühnensterben war nicht demütig, sondern schicksalsergeben, eine gute Rollenaufffassung.

In München dagegen konnte man Ermonela JAHO, eine albanische Sopranistin erleben, die ebenfalls ausgestattet mit großartigen piani-Höhen ihre Rolle demütig und hingebungsvoll gestaltete, in „È strano“ gleich zu Anfang führte sie sich bereits rollengerecht bestens ein.

Wichtig sind in dieser Oper auch der Tenor und vor allen Dingen dazu die Bartitonpartie des Giorgio Germont. In Baden -Baden sang Atalla AYAN den Alfredo, kräftig und voluminös ließ er seine Stimme erklingen, und eignet sich daher besonders gut für dramatischere Tenorpartien, während in München Pavol BRESLIK seinen Alfredo ins Belcanto-Fach verlegte und diese Partie besonders eindrucksvoll zum Publikum brachte, vor allen Dingen ist er auch mit einem sehr guten schauspielerischen Können ausgestattet, stimmlich dazu besonders zu erleben im 2. Akt.

In der Vaterrolle in Baden-Baden erlebte man Simone PIAZZOLA, der seine Rolle seriös und ausgestattet mit einer starken Persönlichkeit gestaltete und gefühl- und eindrucksvoll seine beiden Arien im 2.Akt zum Publikum brachte und dadurch enorm punkten konnte, während in München die mächtige Baritonstimme von Alexej MARKOV zu hören war, der mehr Poltergeist als treusorgender Vater war.

Die weiteren Partien, vor allen Dingen die Rolle der Flora Bervoix (in Baden-Baden Christina DALETSKA – in München Angela BROWER) waren sowohl hier wie dort mit sehr guten Sängern besetzt, vor allen Dingen zeigte bei beiden Theatern die Choreinstudierung eine Bestleistung – in Baden-Baden nochmals erwähnt Detlef Bratschke mit dem Balthasar-Neumann-Chor, aus dem auch kleinere Partien des Abends solistisch hervorgingen, und natürlich in München Sören ECKHOFF mit dem CHOR DER BAYERISCHEN STAATSOPER.

Zwei interesssante “Traviata”-Abende in Doppelpack.
I.St.