„Die tote Stadt“ – 7. April 2015

Auch mit dem Abstand von mehreren Tagen kann ich nicht sagen, was genau mir Karoline GRUBER mit ihrer Inszenierung sagen wollte. Wollte sie überhaupt etwas sagen? Im ersten Akt verwandelt sich Brigitta in Marie/Marietta, wird dann durch die Sängerin dieser Rolle ausgetauscht. Am Schluß ist Marietta hochschwanger, wird dann wieder durch Brigitta ersetzt, die auch schwanger ist, was aufgrund des letzten Auftrittes von Marietta vollkommen unverständlich wird. Soll dies so interpretiert werden, daß Paul Marie in allen Frauen sieht? Aber warum fängt er dann nicht gleich etwas mit der (hier sehr attraktiven) Brigitta an?

Daß Brügges Hafen versandet, und die Stadt deswegen stirbt, wird dadurch sichtbar gemacht, daß der Bühnenboden eine Mischung aus Meeresboden und Strand darstellt (Bühnenbild Roy SPAHN). Leider ähnelt dieses Ambiente eher einem Beachclub als einem untergehenden Hafen, der ab dem 2. Akt noch dadurch angedeutet wird, daß sich ein rostiges Schiff sich auf der Bühne befindet. An dessen Bug muß Frank mal mit einem, mal mit zwei schwarzen Engelsflügeln sitzen. Die „Robert le diable“-Szene erscheint geradezu lächerlich, weil sie als Schattenspiel hinter einem Tuch stattfindet, und der Schattenriß des Teufels leider eher dem Osterhasen ähnelt.

Im 3. Akt ist dann der Chor als lebende Tote unterwegs. Das wäre als Einfall durchaus zu diskutieren, wenn denn auch ansonsten eine Personenregie stattfinden würde. Diese ist, wie auch schon den Rest des Abends über, jedoch fast nicht vorhanden. Immerhin kann man über die Kostüme von Mechthild SEIPEL hauptsächlich nichts Gutes sagen, auch wenn nie ganz klar wird, warum die vier Schauspieler alle grünliche Kleidung, Haare und Requisiten mit Meeresbezug erhalten haben.

Leider war auch die Besetzung der beiden Hauptpartien mehr als problematisch. Als Paul bot Klaus Florian VOGT darstellerisch kaum Präsenz; ich vergaß seine Anwesenheit mehr als einmal, wenn er sich auf der Bühne befand, aber nichts zu singen hatte. Gesanglich gab es einige gelungene Phrasen, die jedoch in der Summe sehr gleichförmig klangen. Keine, der vielen Versuche, in den höheren Lagen piano zu singen, war von einem wirklichen Erfolg gekrönt.

Meagan MILLER hätte sicherlich die Hand der Regisseurin brauchen können. Es war kaum einmal zu erkennen, was eigentlich in ihrer Figur vorging, und eine verruchte Tänzerin vermochte ich ihr in keinem Moment abzunehmen. Ihre Stimme war nicht unangenehm, sie hatte auch die geforderten Töne, aber sie konnte niemals irgendwie tiefer berühren.

Lauri VASAR hingegen war als Frank/Fritz alles das, was die beiden vorgenannten nicht waren. Er vermochte zu ergreifen, er war präsent, er holte alles aus der Figur heraus. Sein „Mein Sehnen, mein Wähnen“ war erstklassig. Der Bariton schaffte es sogar, die alberne Tanzeinlage mit Engelsflügeln auf dem Tisch hinter sich zu bringen, ohne peinlich zu wirken.

Die Brigitta von Cristina DAMIAN war gesanglich ohne jeden Tadel. Man konnte sich jedoch des Eindrucks nicht entwehren, daß der Regisseurin zu dieser Figur nun überhaupt nichts eingefallen war, denn die Sängerin wirkte sehr von der Regie allein gelassen.

Juliette (Mélissa PETIT), Lucienne (Gabriele ROSSMANITH), Graf Albert (Jürgen SACHER) und Victorin (Jun-Sang HAN) waren bestens aufeinander eingespielt und dürften so hochklassig an wenigen Häusern besetzt werden können.

Simone YOUNG und die HAMBURGER PHILHARMONIKER boten einen nahezu perfekten Korngold-Klang. Sie werden dem Schwelgen und der Sinnlichkeit der Musik vollkommen gerecht, so daß man fast trunken von der Musik das Haus verließ. Dabei schaffte es die Dirigentin ohne weiteres, absolut sängerfreundlich zu dirigieren, dabei jede Nuance des Stückes auszuleuchten. Es wäre schön gewesen, wenn man von dem, was aus dem Graben an Interpreation kam, nur ein Zehntel in der Inszenierung gesehen hätte.

Der CHOR unter Eberhard FRIEDRICH sang auf inzwischen fast schon gewohnt hohem Niveau und erledigte die Zombie-Parade während der Prozession mit Anstand.
MK