„L’elisir d’amore“ – 22. Mai 2015 (Premiere)

Es gibt kein Schaf.

Natürlich ist ein Stoffschaf keine zwingende Voraussetzung für eine „Liebestrank“-Vorstellung, aber dank Jean-Pierre Ponnelles genialem Notbehelf in Hamburg ist es ohne irgendwie nur ein halber Liebestrank. Der Vollständigkeit halber muß allerdings erwähnt werden, daß es in Cordula DÄUPERs Inszenierung zumindest eine Puppe und einen Teddy gibt.

Viva la diva! Evmorfia METAXAKI zeigte Adina als verwöhntes Mädchen an der Schwelle zum Teenager. Neben der Inszenierung geschuldeten Interpretation blitzte aber immer wieder eine wissende Reife auf, die der Origfinalfigur perfekt zu Gesicht stand. Die Dame des Abends traf den perfekten Ton im Spiel, aber auch im Gesang. Da gibt es keinen schrillen Ton, keine überdrehten Verzierungen. Ehrlich und schön charakterisieren diese Sopranstimme wohl am besten.

Ihr zur Seite brillierte Taras KONOSHCHENKO als Dulcamara. In einem kleidsameren Kostüm und mit einer weniger an Oleg Popov erinnernden Perücke wäre der Wunderdoktor vielleicht noch glaubhafter gewesen, durch die ausgefeilte, perfekte phrasierte stimmlich Darbietung vergaß man dieses Manko aber rasch.

Gerard QUINNs Belcore war eine großartige Charakterstudie des selbstverliebten Sergeanten. Das Publikum mit wenigen Gesten, allein mit einem Fingerzeig zum Lachen zu bringen, ist eine Kunst. Niemand hat vermutlich erwartet, daß es gesanglich irgendetwas zu bekritteln geben würde. Trotzdem war es schön zu hören, wie wunderbar flexibel die Stimme auch für Donizetti ist.

Daniel JENZ macht als Nemorino nicht wirklich etwas falsch, wirkte an diesem Abend aber viel zu bemüht, stimmlich und darstellerisch alles richtig zu machen, was der Figur die eigentlich rolleneigene unbeholfene Liebenswürdigkeit nahm.

Inga SCHÄFER war als Giannetta deutlich überbesetzt, machte aber soviel Effekt in der Darstellung, daß man die ganz große Stimmshow einfach genoß. Beides paßte perfekt, ohne aufdringlich zu wirken.

Der CHOR (Leitung: Joseph FEIGL) litt im ersten Teil des Abends unter mächtigen Orchesterwogen, zeigte aber dann seine gewohnte Stimmqualität.

Aus dem Graben tönte es in der ersten Hälfte gar zu laut. Hin und wieder klang es denn auch mehr nach Verdi als nach Donizetti. Beides gab sich nach der Pause, und die LÜBECKER PHILHARMONIKER spielten unter der Leitung von Ryusuke NUMAJIRI überraschend schwungvoll überaus anständig klingende italienische Oper.

Leider konnte die Regisseurin mit ihrer Donizetti-Interpretation nicht an ihre ausgesprochen gut gemachte „Cenerentola-Produktion anknüpfen. „Liebestrank im Internat kann man machen. Es funktioniert zum Teil sogar wirklich gut, aber leider vermißte man stellenweise die Liebe zum Stück und zu den Figuren sowie die Sorgfalt, dessen Handlung auch in dieser neuen Form auf der Bühne zu zeigen. Inszenatorisch war es ein Abend der verpaßten Chancen.

Das Bühnenbild von Ralph ZEGER mit auf seinen Multistockbetten hatte seine Momenten – vor allem wenn Chor und Protagonisten hinauf- und hinunterturnten. Mit seiner permanent düsteren Atmosphäre tat es aber nichts für das Stück.

Sophie DU VINAGE setzte mit ihren Kostümen auf Karos aller Arten. Schwarz-weiß ist hier die vorherrschende Farbkombination, die immerhin mit dem einen oder anderen roten Farbakzent gespickt wurde. Kleidsam war allerdings weniges von dem, was man sah.

Rein oder nicht? Die Produktion hat ihre Momente und ist nicht so überdreht wie es auf den ersten Blick scheint. Ein großer Pluspunkt sind die Sänger. Sollte man also gerade in Lübeck sein, kann man sich durchaus die Zeit für zweieinhalb musikalisch unterhaltsame Stunden nehmen.
AHS