In traditioneller Form, allerdings bei den Kostümen (Stefan HAGENEIER) teilten sich Tradition und Moderne auf – Waffen der Jetztzeit sind bei solchen Inszenierungen heutzutage Gewohnheit – inszenierte Christian STÜCKL Giuseppe Verdis erste Erfolgsoper, in der der Schrei nach Freiheit durch die Unterdrückung der damaligen österreichische Herrschaft für die Italiener durch den darin enthaltenen Gefangenenchor „Va pensiero“ zur 2. Nationalhymne wurde. Christian Stückl nutzte die Bühne des Passionsspielhauses durch ein Einheitsbühnenbild von ebenfalls Stefan Hageneier, mit dem dieser mit korinthischen Säulen und den dazu gehörigen Nischen ein historisches Ambiente schuf, in den einzelnen Szenen voll aus, brachte schon bei der Ouvertüre sehr viel Bewegung durch Alltagsszenen im jüdischen Lager auf die Bühne, die sich genau nach der Musik richteten.
Diese Oper enthält bekannterweise sehr viele große Chorszenen mit Hebräer und Babyloniern, auch diese Vielzahl von Chorsänger brachte Christian Stückl durchdacht und gut platziert auf die Bühne des Passionsspielhauses Oberammergau, das sich für diese Oper nicht nur akustisch bestens eignet. Man war erfreut erstaunt, daß sogar ein Pferd, auf dem Nabucco einritt, das Bild der Antike abrundete, und man sich endlich wieder an dem Phänomen Oper erfreuen konnte. Eine Inszenierung mit Stil, in der sich Moderne mit Tradition sinnvoll verband.
Der CHOR DES PASSIONSTHEATERS OBERAMMERGAU mit 180 Mitgliedern, neu gegründet für diese Produktion unter der Besteinstudierung von Markus ZWINK, der sich zusammenfügt aus Mitgliedern des Ammergauer Motettenchors und Sängern aus Oberammergau und der Region (sogar den pensionierten 1. Tenor des Chors der Bayerischen Staatsoper Manfred Berger sah man unter den Klasse-Choristen) trug erheblich zum Gelingen dieser musikalischen abendlichen gesamten Bestleistung bei.
Die Musiker der NEUEN PHILHARMONIE MÜNCHEN konnten Verdis Erfolgswerk unter ihrem Dirigenten Ainars RUBIKIS musikalisch nicht besser interpretieren, zumal hier schon die sehr gute Stabführung bei der Ouvertüre besonders angenehm auffiel. Was besonders an diesem Abend dazu auffiel, daß man den sonst gewohnten Riesenbeifall nach dem Gefangenenchor durch sofortiges Einsetzen der Musik (Arie des Zaccaria) und lang anhaltenden Schlußton des Chors verhinderte, was nicht störend, sondern nur ungewohnt war. Es war überhaupt festzustellen, daß nach Arien und Duetten sehr wenig Beifall aus dem Publikum kam, warum?
Die Protagonisten des Abends waren sehr gut für ihre Partien gewählt. In der Reihenfolge des Programmheftes: Evez ABDULLA stellte in der Titelpartie einen sehr guten lyrischen Bariton mit sehr viel Italianitá vor, eine bessere Herausarbeitung seines Wahnsinns wäre angebracht. Seine Arie „Dio di Giuda“ war allerdings sehr gut vorgetragen. Irini RINDZUNER zeigte eine dramatische Sopranstimme mit viel Ausdruck vor, manche Töne kamen aber etwas schrill und verzerrt zum Publikum.
Bàlint SZABO zeigte einen würdigen und stimmlich ausgereiften Zaccaria, Virgine VERREZ als Fenena (in israelischer Soldatenkleidung) konnte mit einem gutgeschulten warmen Mezzo sehr viel Beifall vom Publikum erhalten. Eine sehr gute Interpretation des Ismaele zeigte Attilio GLASER, nicht nur stimmlich konnte er diese Partie gut gestalten. Rafal PAWNUK als Oberpriester des Baals, Joshua STEWART als Abdallo und Talia OR als Anna fügten sich bestens in die Sängerriege ein.
Man kann Christian Stückl nur für diesen wundervollen Abend in Oberammergau danken, man fuhr erfüllt, glücklich und zufrieden mit der Opernwelt nach München zurück. Ein neues Verona in Bayern.
I.St.