"DIE WALKÜRE" - 5. November 2005

Der 1. Akt spielt zwar in der Eingangshalle eines mittleren Konzerns, mit fünf schmalen Fenstern bis zum Schnürboden und der berüchtigten, hier etwas verhungerten, Esche in der Mitte. Hunding kann man nicht als einen großen Trinker bezeichnen, denn Wasser und Met werden in Fingerhüten oder winzigen Schalen serviert. Alles ist sehr aseptisch, einschließlich ein schmales, von vorne nach hinten laufendes Regal in der Mitte, das sich beim einbrechenden Lenz auf der Bühne quer dreht. Sieglinde trägt ein hoch geknöpftes langes schwarzes Abendkleid und eine sehr elegante rote Perücke. Für die Flucht mit Bruder Siegmund fand sie Zeit, sich in ein ebensolches, makellos weißes Kleid umzuziehen - sehr praktisch für Flüchtlinge. Man hat das ungewisse Gefühl, daß der Regisseur sich über das Verwandtschaftverhältnis zwischen Siegmund und Sieglinde nicht ganz im Klaren ist. Der fliehende Siegmund trägt einen unglaublich schweren Mantel, scheint aber nicht sehr müde zu sein, denn er setzt sich nicht einmal - kein Wunder, es gibt im Hause Hundings ja nicht einmal eine Bank. Hunding, auch im dicken Mantel, scheint nur ein klobiges schwarzes Schwert zu besitzen.

Vom 2. Akt an war die Regie etwas weniger penetrant, wenngleich auch recht statisch. Doch die Sänger hatten Gelegenheit, sich wenigstens ein wenig zu rühren. Der 2. und 3. Akt spielt auf einer schiefen Ebene aus Schiefergestein, wo nach Bedarf größere oder kleinere Stücke aus dem Boden sich öffnen, um kleine Erhöhungen zu bilden, u. a. eine Liege um Brünnhilde am Schluß eine Ruhestatt zu bieten. Zum Feuerzauber werden sechs kleine Barbecue-Öfchen angezündet, die etwas spärlich wirken. Solch ein "Feuer" kann jeder geübte Tourist durchschreiten und muß kein "herer Held" sein. Fricka ist wie in "Rheingold" dunkelbraun gekleidet, mit dem kleinen Brettchen auf dem Hinterkopf und spielt hier mehr die Emanze. Ihr Kleid ist viel zu lang, denn sie muß ständig aufpassen, daß sie nicht drauf steigt, was zu einigen brüsken Bewegungen führt. Wotan hat sein Brettchen am Hinterkopf abgelegt und gegen einen altgriechischen Helm eingetauscht. Gleiche Helme hat er auch en gros für die Walküren-Truppe eingekauft. Über graublaue Tuniken tragen diese vorn und hinten auf dünnen Stäbchen durchsichtige, bis zum Boden reichende Vorhänge. Da es meist düster ist, schauen sie wie lebensgroße Schachteln aus.

Musikalisch war "Walküre" erheblich gelöster als "Rheingold". Christoph ESCHENBACH dirigierte zwar weiterhin ziemlich gedehnt, doch bereits die Einleitung war viel belebter und ließ aufhorchen. In den Auseinandersetzungen des 2. Akts war die Spannung intensiv spürbar, gefolgt von dem sehr spannenden "Walkürenritt" und der ungemein dichten Schlußszene.

Peter SEIFFERT war ein sehr schön singender, fast lyrischer Siegmund. Bei den "Wälse"-Rufen und der Todesverkündigung fand er mehr heldische Töne. Der dicke Mantel war sichtlich eine Behinderung für ihn. Als Sieglinde war Petra-Maria SCHNITZER stimmlich sehr überzeugend. Durch den Regisseur in steife Posen gepreßt, hatte sie nicht viel Spielraum in der Darstellung. Zu allem Überfluß promenierte sie sich im 3. Akt sehr demonstrativ mit den Trümmern Notungs, nicht unbedingt überzeugend. Umso mehr war "O herste Wonne" hinreißend. Stephen MILLING machte aus Hunding eine bewußt unsympathische Figur, war aber stimmlich nicht überzeugend, da er öfters zu tief sang.

Mihoko FUJIMURA brachte für die Fricka die differenzierteste Charakterstudie auf die Bühne: eine emanzipierte Frau, die sich nicht alles von ihrem vagabundierenden Göttergatten gefallen läßt. Stimmlich hervorragend, in ausgezeichnetem Deutsch, gab sie eine perfekte Darstellung der Fricka. Jukka RAISILAINEN war wieder ihr schweifender Macho-Gemahl Wotan, etwas besser als in "Rheingold", konnte sich aber nicht mit seinen illustren Vorgängern messen. Olga SERGEYEVNA war als Cover der Brünnhilde engagiert und durfte die letzte Vorstellung singen. Die junge Russin war die große Überraschung des Abends. Eine prächtige, volle Stimme, die nicht nur die "Hojotoho"-Rufe lupenrein sang, sondern auch das subtile Gespräch mit Wotan mit großer Finesse zu Gehör brachte. Nur ihre deutsche Aussprache bedarf noch einiger Verbesserung.

Die acht Walküren waren Jennifer WILSON, Annalena PERSSON, Eszter SÜMEGI, Priti GANDHI, Marie LENORMAND, Deanne MEEK, Daniela DENSCHLAG und Annette JAHNS., eine sehr internationale Riege, sehr stimmfest und passend, mit durchwegs guter Diktion, allerdings meist im Halbdunkel. Großer Beifall des wagnersüchtigen Publikums. wig

"Siegfried"