Der
1. Akt spielt zwar in der Eingangshalle eines mittleren Konzerns, mit
fünf schmalen Fenstern bis zum Schnürboden und der berüchtigten, hier
etwas verhungerten, Esche in der Mitte. Hunding kann man nicht als einen
großen Trinker bezeichnen, denn Wasser und Met werden in Fingerhüten oder
winzigen Schalen serviert. Alles ist sehr aseptisch, einschließlich ein
schmales, von vorne nach hinten laufendes Regal in der Mitte, das sich
beim einbrechenden Lenz auf der Bühne quer dreht. Sieglinde trägt ein
hoch geknöpftes langes schwarzes Abendkleid und eine sehr elegante rote
Perücke. Für die Flucht mit Bruder Siegmund fand sie Zeit, sich in ein
ebensolches, makellos weißes Kleid umzuziehen - sehr praktisch für Flüchtlinge.
Man hat das ungewisse Gefühl, daß der Regisseur sich über das Verwandtschaftverhältnis
zwischen Siegmund und Sieglinde nicht ganz im Klaren ist. Der fliehende
Siegmund trägt einen unglaublich schweren Mantel, scheint aber nicht sehr
müde zu sein, denn er setzt sich nicht einmal - kein Wunder, es gibt im
Hause Hundings ja nicht einmal eine Bank. Hunding, auch im dicken Mantel,
scheint nur ein klobiges schwarzes Schwert zu besitzen.
Vom
2. Akt an war die Regie etwas weniger penetrant, wenngleich auch recht
statisch. Doch die Sänger hatten Gelegenheit, sich wenigstens ein wenig
zu rühren. Der 2. und 3. Akt spielt auf einer schiefen Ebene aus Schiefergestein,
wo nach Bedarf größere oder kleinere Stücke aus dem Boden sich öffnen,
um kleine Erhöhungen zu bilden, u. a. eine Liege um Brünnhilde am Schluß
eine Ruhestatt zu bieten. Zum Feuerzauber werden sechs kleine Barbecue-Öfchen
angezündet, die etwas spärlich wirken. Solch ein "Feuer" kann jeder geübte
Tourist durchschreiten und muß kein "herer Held" sein. Fricka ist wie
in "Rheingold" dunkelbraun gekleidet, mit dem kleinen Brettchen auf dem
Hinterkopf und spielt hier mehr die Emanze. Ihr Kleid ist viel zu lang,
denn sie muß ständig aufpassen, daß sie nicht drauf steigt, was zu einigen
brüsken Bewegungen führt. Wotan hat sein Brettchen am Hinterkopf abgelegt
und gegen einen altgriechischen Helm eingetauscht. Gleiche Helme hat er
auch en gros für die Walküren-Truppe eingekauft. Über graublaue Tuniken
tragen diese vorn und hinten auf dünnen Stäbchen durchsichtige, bis zum
Boden reichende Vorhänge. Da es meist düster ist, schauen sie wie lebensgroße
Schachteln aus.
Musikalisch
war "Walküre" erheblich gelöster als "Rheingold". Christoph ESCHENBACH
dirigierte zwar weiterhin ziemlich gedehnt, doch bereits die Einleitung
war viel belebter und ließ aufhorchen. In den Auseinandersetzungen des
2. Akts war die Spannung intensiv spürbar, gefolgt von dem sehr spannenden
"Walkürenritt" und der ungemein dichten Schlußszene.
Peter
SEIFFERT war ein sehr schön singender, fast lyrischer Siegmund. Bei den
"Wälse"-Rufen und der Todesverkündigung fand er mehr heldische Töne. Der
dicke Mantel war sichtlich eine Behinderung für ihn. Als Sieglinde war
Petra-Maria SCHNITZER stimmlich sehr überzeugend. Durch den Regisseur
in steife Posen gepreßt, hatte sie nicht viel Spielraum in der Darstellung.
Zu allem Überfluß promenierte sie sich im 3. Akt sehr demonstrativ mit
den Trümmern Notungs, nicht unbedingt überzeugend. Umso mehr war "O herste
Wonne" hinreißend. Stephen MILLING machte aus Hunding eine bewußt unsympathische
Figur, war aber stimmlich nicht überzeugend, da er öfters zu tief sang.
Mihoko
FUJIMURA brachte für die Fricka die differenzierteste Charakterstudie
auf die Bühne: eine emanzipierte Frau, die sich nicht alles von ihrem
vagabundierenden Göttergatten gefallen läßt. Stimmlich hervorragend, in
ausgezeichnetem Deutsch, gab sie eine perfekte Darstellung der Fricka.
Jukka RAISILAINEN war wieder ihr schweifender Macho-Gemahl Wotan, etwas
besser als in "Rheingold", konnte sich aber nicht mit seinen illustren
Vorgängern messen. Olga SERGEYEVNA war als Cover der Brünnhilde engagiert
und durfte die letzte Vorstellung singen. Die junge Russin war die große
Überraschung des Abends. Eine prächtige, volle Stimme, die nicht nur die
"Hojotoho"-Rufe lupenrein sang, sondern auch das subtile Gespräch mit
Wotan mit großer Finesse zu Gehör brachte. Nur ihre deutsche Aussprache
bedarf noch einiger Verbesserung.
Die
acht Walküren waren Jennifer WILSON, Annalena PERSSON, Eszter SÜMEGI,
Priti GANDHI, Marie LENORMAND, Deanne MEEK, Daniela DENSCHLAG und Annette
JAHNS., eine sehr internationale Riege, sehr stimmfest und passend, mit
durchwegs guter Diktion, allerdings meist im Halbdunkel. Großer Beifall
des wagnersüchtigen Publikums. wig
"Siegfried"
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