Paul
Hindemiths Oper war die erste Produktion der Staatsopernintendantin Simone
Young in Hamburg. Der Live-Mitschnitt der Hamburger Premiere vom 25. September
2005 ist bei Oehms Classic (OC 908) nun endlich auf CD erschienen. Ohne
Ablenkung durch Bühnenbild und Regiekonzept zeigt diese Aufnahme die eigentliche
Schönheit der Musik.
Die
Interpretation Simone YOUNGs am Pult der PHILHARMONIKER HAMBURG vernachlässigt
weder die Ecken und Kanten, noch die durchaus vorhandenen schwelgerischen
Momente der Partitur. Das so entstehende Gesamtklangbild ist echte Publicity
für das Werk und seinen Komponisten. Die Mehrzahl der Solisten steht dieser
so akkuraten wie engagierten Interpretation von Hindemiths Geschichte
um Mathias Grünewald durch die Philharmoniker in nichts nach.
In
der Titelpartie beweist Falk STRUCKMANN baritonale Meisterschaft. Sein
Mathis sinniert und grollt, begehrt auf und resigniert, ist schlicht ein
Wesen aus Fleisch und Blut in einer turbulenten Zeit - all dies wird allein
durch den Einsatz der Stimme deutlich. Beim ersten Auftritt noch etwas
verhalten, ist insbesondere im 4. Bild und zum Ende der Oper eine beeindruckende
künstlerische Leistung zu hören.
Scott
MacALLISTER gelingt es auch auf rein vokaler Ebene, die Figur Albrecht
von Brandenburg, deren Wesenszüge und Wandlung fortwährend bildhaft zu
machen. Seine Stimme kommt sehr gut mit den Erfordernissen der Partitur
zurecht und klingt dabei stets aufrichtig und natürlich.
Susan
ANTHONY fällt dagegen ein wenig ab. Bei ihr sind einige schrille Höhen
zu hören und auch ihre Artikulation ist die schwächste in der Besetzung.
Ursula verliert dadurch die zentrale Bedeutung, die sie eigentlich einnehmen
sollte. So ist es an Inga KALNA als Regina für entsprechende musikalische
Frauenpower zu sorgen, was ihr exzellent gelingt. Ob beim Lied in der
ersten Szene, ob im Dialog mit Mathis, ihre Stimme wird sicher geführt.
Die piani in Reginas Sterbeszene sind wie die gesamte Szene ausgesprochen
schön gesungen.
Pär
LINDSKOGs Hans Schwalb bleibt leider eindimensional. Man hört zu wenig
Aufrührertum und nimmt ihm den derben Bauernführer nicht ab. Auch der
Capito von Peter GALLIARD klingt zu banal, wo Wandlungsfähigkeit à la
Machiavelli gefragt wäre.
Ausgezeichnet
besetzt sind die weiteren Rollen. Hier zeigt sich die verläßliche Qualität
des Hamburger Ensembles. Harald STAMM (Riedinger), Carsten WITTMOSER (Lorenz
von Pommersfelden), Moritz GOGG (Truchseß von Waldburg), Ho-yoon CHUNG
(Pfeifer) und Jürgen SACHER (Sylvester von Schaumburg) präsentieren in
ihrem jeweiligen Stimmfach echte Virtuosität und unterstützen damit jeder
auf seine Weise die höchst lebendige Gesamtwirkung. Imponierend von Renate
SPINGLER gesungen sind die kurzen Momente der Gräfin Helfenstein.
Exzellent
disponiert und über die Maßen wortdeutlich präsentiert sich der CHOR DER
STAATSOPER HAMBURG. Die Massenszenen klingen so lebendig und echt. Alles
in allem ist diese Einspielung eine überaus lohnenswerte Anschaffung sowohl
für alle, die ohnehin eine Vorliebe für Hindemiths Opern haben, als auch
für jene, die einen ersten Hörversuch in dieser Richtung wagen wollen.
AHS
P.S.
Das Beiheft enthält neben Hindemith- und Young-Kurzbiografien einen ausführlichen
Artikel zu Werk und Handlung (alles in deutscher wie englischer Sprache).
Die Wortdeutlichkeit der Sänger wie des Chores lassen das Fehlen eines
Librettos eigentlich verschmerzen. Trotzdem wäre letzteres bei einem so
selten gespielten Stück wie diesem nicht schlecht gewesen.
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