Festschriften,
noch dazu zum 75. Geburtstag, haftet stets etwas Lobendes an. Ein Lob
auf die Kritik publizierte der Verlag IKS Garamond Jena kürzlich mit „Gedanken
zur Musikkritik“. Anlaß: das Dreivierteljahrhundert Lebenszeit von Wolf-Eberhard
von Lewinski, eines der bedeutendsten Kritiker der vergangenen Jahre,
wie ihm die Kritisierten bescheinigen. Rita Wilhelm ist diese überzeugende
Sammlung von Beiträgen zur Musikkritik, -geschichte und -theorie zu danken.
Was
besticht? Die Vielzahl Prominenter, deren Weg von Lewinski aufmunternd-kritisch
begleitete und die teilweise ganz persönliche Beiträge, aber auch grundsätzliche
Gedanken für die Festschrift sandten. Für Daniel Barenboim war es als
jungem Künstler „schön und wichtig von einem solch großen und bedeutenden
Kritiker so früh anerkannt zu werden.“ Anneliese Rothenberger erinnert
sich persönlicher Momente. Als nobelsten, liebenswürdigsten und integersten
ihrer Kritiker, weil er kein „intellektuelles, angelesenes Geschwafel“
bietet, sondern eindringt in die Materie und eindringlich in seinen Aussagen
ist, preist ihn Brigitte Fassbaender.
Bernhard
Klee fühlt sich bei Wolf-Eberhard von Lewinskis „manchmaliger Trippelbödigkeit
– eine fragile Melange von Wissen, Hoffen, Leiden und zarter Ironie“ an
den famosen Wiener Spaziergänger Daniel Spitzer erinnert, „der gleichfalls
litt, weil er mehr wußte, verstand und durchschaute.“ Fischer-Dieskaus
Beitrag über Schubert, Peter Brenners Mozart-Aufsatz oder Reinhard Goebels
Bach-Vortrag, noch mehr die musikhistorischen Exkurse, führen meist den
Namen Wolf-Eberhard von Lewinski nicht im Text, aber sie sind in seinem
Sinne. Denn er entlarvt Mittelmaß, mit seiner Tendenz, sich zu konservieren
und bleibt neugierig für das Neue, auch wenn es das Alte ist, das neu
definiert wird.
Und
immer wieder die Frage nach der Kritik, nach Sinn und Zweck, den Aufgaben
des Kritikers. Aber auch die Angst vor der „drohenden Entmachtung der
Kritiker durch die noch mächtigeren Sponsoren des kulturellen Lebens“.
Herausgeberin Rita Wilhelm fragt nach auf der anderen Seite, bei den von
der Musikkritik Betroffenen. Man mag Vorbehalte gegen Fragebögen, Multiple-Choise-Verfahren
und andere empirisches Unternehmen haben, die Resultate stimmen nachdenklich
und geben Ansätze das Kritikerdasein zu überdenken. Denn Musikkritik wird
als wichtiger Teil des Musiklebensangesehen, hat aber bei den Kritisierten
wenig Bedeutung fürs künstlerische Schaffen und persönliche Leben. Uwe
Kraus
„Gedanken
zur Musikkritik“, IKS Garamond Jena 2002,
ISBN
3-934601-57-X
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