Endlich
gelangte wieder die Inszenierung von Marco Arturo MARELLI aus dem Jahre
1994 zur Aufführung, die mich immer noch begeistert. Über drei Jahre mußten
wir darauf warten - und nun kam sie in einer hochkarätigen Besetzung!
Die
Inszenierung hat nichts von ihrer Spannung eingebüßt. Sie ist sehr sparsam
mit Requisiten und lebt von der Personenführung. Manchen mag sie zu dunkel
sein, aber ist nicht das ganze Werk "dunkel"? Ich persönlich mag minimalistische
Inszenierungen, denn da lenkt nichts von der Handlung ab.
Als
"Dr. Faust" war Thomas HAMPSON vor einem Monat in Zürich zu hören gewesen.
Obwohl ich mir kaum einen besseren Darsteller für diese Rolle vorstellen
könnte, war ich doch etwas erschrocken über seine Stimme: Die Rolle forderte
ihm (zu) viel ab, die Höhen klangen gepreßt, die Tiefe hat er nun mal
ganz einfach nicht, und insgesamt klang die Stimme arg abgesungen. Von
dem allem war als Simone nichts, aber auch gar nichts zu hören! 2003 beeindruckte
Hampson mich in dieser Rolle bereits durch seine Darstellung, mir ging
jedoch die Differenziertheit eines José van Dam oder eines Juan Pons (Vorgänger
in dieser Inszenierung) ab. 2003 war Hampson aber auch erst am Beginn
seiner Auseinandersetzung mit dem Simone.
Mittlerweile
ist die Rolle ihm in Fleisch und Blut (und Stimme) übergegangen. Manche
mögen bemängeln, seine Stimme sei einfach keine Verdi-Stimme. Geschenkt!
Mit seiner Leistung vermochte er sich in alle Herzen zu singen. Seine
Stimme verfügt nun über die nötige Differenziertheit, er kann im Pianissimo
wie auch im Fortissimo auftrumpfen. Gänsehaut kriegte ich bei seiner Szene
mit Paolo im Ratssaal; da wurde dem "armen" Paolo wirklich angst und bange!
Die
zweite positive Überraschung war Neil SHICOFFs Adorno. Ich war sehr skeptisch,
ob dieser ihm nicht bereits "aus der Kehle gewachsen" sei. Aber nach seinem
sehr passablen "Don Carlo" im September war dies nach langer Zeit das
zweite Mal, daß Shicoff wirklich sang, und die Töne nicht einfach nur
stemmte und auf Teufel-komm-raus hielt. Er differenzierte für seine Verhältnisse
ausgesprochen gut und fügte sich sehr homogen ins Ensemble ein. Barbara
FRITTOLI war eine wunderschön anzuschauende Amelia, eine berührende Darstellerin
und Sängerin. Auch wenn anfangs ihr Vibrato etwas ausgeprägt war, so vermochte
sie dieses im Laufe des Abends gänzlich unter Kontrolle zu bekommen.
Ebenfalls
erfreulich war die stimmliche wie darstellerische Präsenz von Cheyne DAVIDSON
als Paolo. Die Stimme ist größer geworden, sie blüht richtiggehend auf
und vermag das ganze dynamische Spektrum abzudecken. Einzig Carlo COLOMBARA
(Fiesco) gelang es nicht ganz, mich zu überzeugen. "A te l'estremo addio"
war nicht über alle Zweifel erhaben (die Stimme klang etwas brüchig, es
gab Probleme in den Höhen und einige Intonationsschwierigkeiten). Im Verlaufe
des Abends steigerte er sich erheblich, nur: Für mich ist er ein etwas
langweiliger Darsteller (egal, welche Rolle er singt) und auch stimmlich
fehlen mir die Emotionen. Aber dies sind persönliche Präferenzen.
Last
but not least: Das Dirigat von Stefano RANZANI ließ keine Wünsche offen.
Er vermochte die Spannung stetig zu steigern, begleitete höchst sängerfreundlich
und entlockte dem ORCHESTER eine erfreuliche Leistung.
Das
Zürcher Publikum zeigte sich begeistert: Standing Ovations und nicht enden
wollender Applaus (so etwas habe ich hier schon sehr lange nicht mehr
erlebt)! Chantal Steiner
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