Zwei
Sängerinnen dürften in den letzten Jahren in der Rolle der Emilia Marty
dominiert haben. Hildegard Behrens und Anja Silja. Nun wird man eine dritte
hinzufügen müssen. Gabriele SCHNAUT ist diese "neue" Emilia Marty.
Wie
sie nur dasitzt auf der dunklen Bühne, angeleuchtet von einem einsamen
Scheinwerfer, drückt sie all den Überdruß eines Menschen aus, der schon
über 300 Jahre leben mußte, und der alles bereits einmal gesehen und erlebt
hat, ist aber zugleich mittendrin und spielt die Spiele zwischen Mann
und Frau, Star und Verehrer so perfekt mit, daß alle Männer sich in sie
verlieben müssen. Hier ein kurzes Lächeln, dort die kalte Schulter oder
die wehmütige Erinnerung an den wohl einzigen Menschen, den sie je geliebt
hat; wohlgemerkt vor über 100 Jahren. Nur eine solche Präsenz kann diese
Rolle zum Leben erwecken und die Spannung dieses Konversationsdramas über
die gesamten drei, wenn auch kurzen, Akte halten.
Regisseur
Klaus Michael GRÜBER läßt alles mehr oder weniger laufen, beläßt alles
in der Originalzeit mit den Kostümen der Ära (geschmackvoll gestaltet
von Moidele BICKEL) und verläßt sich ganz auf seine Hauptdarstellerin.
Die Bühne (Titina MASELLI) bleibt bis auf ein paar Sessel oder einen Schrankkoffer
leer und dunkel. Mit Ausnahme einer lebensgroße Lokomotive, deren Funktion
sich erst am Ende erklärt, als die Marty nicht einfach tot zusammen bricht,
sondern sich vor den Zug wirft, der sich düster in Richtung Zuschauerraum
bewegt. Zuvor, als sie ihre Geschichte erzählt, zunächst betrunken taumelnd,
dann nüchtern werdend vom Fluch des langen Lebens berichtet, ist das der
absolute Höhepunkt der Aufführung. Wie sie erzählt vom Vater, dem Leibarzt
Kaiser Rudolfs des Zweiten, der die Sechzehnjährige als Versuchskaninchen
"mißbraucht" für seine Formel des dreihundertjährigen Lebens, wie sie
die Zeit mit unzähligen Affären zugebracht hat, wie sie nichts mehr berühren
kann, und sie mit der Zeit immer kälter geworden ist, das ist so fesselnd,
bewegend und erschreckend, wie Janácek es gewollt hat.
Dass
die anderen Darsteller dabei zu Statisten werden, ist Teil der Oper. Trotzdem
füllen Krista (Martina JANKOVA), deren Liebhaber Janek (Boguslaw BIDZINSKI),
den die Marty in den Selbstmord treibt, die Kontrahenten Gregor senior
(Peter STRAKA) und Sohn Vitek (Volker Vogel) gegen Janeks Vater Baron
Prus (Alfred MUFF) ihre Rollen ganz aus.
Auch
Philippe JORDAN am Pult und das ORCHESTER DER OPER ZÜRICH schaffen die
atmosphärische Dichte, die das Stück ausmacht.
Bleibt
zu hoffen, dass Frau Schnaut Gefallen an der Rolle gefunden hat, und die
Partie noch des Öfteren ausgestalten wird. KS
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