Und
er sang doch… Nachdem Juan Diego FLOREZ die beiden ersten Vorstellungen
krankheitsbedingt absagen mußte, und eine Pressemitteilung herausgegeben
wurde, daß er keine der angesetzten Vorstellungen singen würde, wagte
er sich am 2. Januar doch auf die Bühne, obwohl er noch nicht ganz auf
dem Damm war (er ließ sich denn auch ansagen).
Was
soll man unter diesen Umständen auch sagen? Lag es daran, daß er angeschlagen
war, oder ist die Stimme für Rossini bereits nicht mehr das Ideale? Flórez
besitzt zweifellos ein schönes Timbre. Die Höhen sitzen, die Mittellage
ist ausgeprägt. Das Stimmvolumen ist für einen Rossinitenor (und für das
Zürcher Opernhaus) eher groß. Allerdings hat mich sein ausgeprägtes Mecker-Vibrato
erschüttert. Noch vor knapp einem Jahr bei seinem umjubelten Auftritt
in "La Cenerentola" war davon nichts zu hören. Ich bezweifle, daß es nur
an seiner Indisposition lag und kann nur hoffen, daß er diesen Mangel
wieder ausmerzen kann. Ansonsten bemerkte man in einigen Passagen leichte
Unsicherheiten beim Halten der Spitzentöne, aber im Grossen und Ganzen
durften er und das Publikum mit der Leistung sehr zufrieden sein.
Isabel
REY ist eine quirlige Norina, die ihre "böse" Rolle perfekt ausspielt.
Ihre Stimme ist seit der Premiere (ca. 1997) zwar etwas schwerer und in
den Höhen schärfer geworden, aber trotzdem verfügt sie stimmlich - und
vor allem darstellerisch - über alle notwendigen Eigenschaften, um die
Rolle in allen Facetten zu gestalten.
Auch
an Ruggero RAIMONDIs Stimme sind die Jahre nicht spurlos vorbei gegangen.
Sie ist brüchiger geworden, doch verkörpert er den "armen" (?) Don Pasquale
nach wie vor prägnant und anrührend. Erstaunlicherweise vermag er in Rossini-Rollen
seine Unart (vernuschelte Artikulation) zu beseitigen. Die Diktion ist
vorzüglich.
Oliver
WIDMERs Stimme ist meine Sache nicht wirklich, ist sie doch für mein Empfinden
zu eindimensional und vibratoreich. Trotzdem: Sein Dr. Malatesta gehört
zum Besseren, was er auf die Bühne bringt. Er versprüht (wie übrigens
Isabel Rey und Ruggero Raimondi, leider nicht unbedingt Juan Diego Flórez)
viel Spaß an der Rolle und spielt sie voll aus.
Die
Inszenierung von Grischa ASAGAROFF empfinde ich - im Gegensatz zu einigen
meiner Bekannten - nach wie vor als gelungen. Daß Pasquale angeblich lächerlich
gemacht wird, kann ich nicht nachvollziehen. Sicherlich ist es nicht Usus,
daß ein alternder Mann sich mit Teddybären umgibt. Aber warum soll man
damit nicht etwas Wärme finden? Die Personenführung ist liebevoll, augenzwinkernd
und "werkgetreu". Ich bin immer wieder zutiefst berührt, wenn Norina Don
Pasquale eine Ohrfeige verpaßt, und er komplett zerstört "Ah! è finita,
Don Pasquale…" singt. Dies alles hat er doch nicht verdient, auch wenn
er alles andere als tolle Qualitäten aufweist.
Am
Dirigat von Nello SANTI merkte man, daß die Aufführung fürs Fernsehen
(DVD) aufgenommen wurde. Endlich war der Maestro wieder einmal inspiriert,
ließ schon in der Ouvertüre das Feuer entfachen und hielt die Spannungsbögen.
Einige Diskrepanzen zwischen Bühne und Orchester scheinen bei ihm jedoch
unvermeidlich zu sein.
Fazit:
ein netter, unterhaltender Abend mit viel Witz und Spannung. Was vom Lobgesang
über Flórez zu halten ist, weiß ich noch nicht. Das Publikum allerdings
stand Kopf! Chantal Steiner
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