„UN BALLO IN MASCHERA“ - 5. Juni 2005

Die Inszenierung von Jürgen FLIMM, welche 1999 Premiere hatte, wurde nach längerer Zeit wieder aufgenommen und wieder einmal hervorragend und liebevoll von Claudia BLERSCH einstudiert. Die Produktion, die im Amerika der fünfziger/sechziger Jahre spielt, und Riccardo wohl als eine Art John F. Kennedy zeigen soll, wurde leider etwas „amputiert“ - die unpraktischen Kameraschienen, welche Videokameras das Drehen der Todesszene ermöglichten, aber für die Protagonisten im wahrsten Sinne des Wortes Stolpersteine bildeten, wurden entfernt. Somit fielen aber eben auch die starken Bilder der Schlußszene weg, die nun nicht mehr von der sensationslüsternen Presse direkt übertragen werden konnten. Im Hintergrund flimmerten auf der Projektionsleinwand nur noch Sterne.

Die Inszenierung hat ihre Aktualität bewahrt, ist aber doch kein allzu großer Wurf. Ich finde es immer störend, wenn aus bühnenpraktischen Gründen (z.B. um Platz für einen Chorauftritt zu schaffen, oder um den Blick auf eine Projektionsleinwand freizugeben, die man auf dem 2. Rang sowieso nicht mehr sieht) mitten in einer Szene die Kulissen verschoben werden, was hier häufiger vorkam. Auch ist eine zeitliche Versetzung eines historischen Stückes nicht ganz unproblematisch. Man kann Riccardo als Präsidenten der Vereinigten Staaten deuten, aber wenn dann „S’avanza il Conte“ gesungen wird, klingt das doch eher seltsam. Auch wenn sich der Präsident/Conte als „pescator“ verkleidet und dafür die Jacke, Mütze und Sonnenbrille eines NYPD-Cops anzieht, sieht er eher nach „Village People“ als nach einem Fischer aus. Solche Ungereimtheiten ärgern mich immer wieder, aber darüber sollte ich wohl hinwegsehen.

Ansonsten kann man mit der Inszenierung durchaus leben, vor allem, wenn man über einen solchen Ausnahme-Riccardo verfügt, wie ihn das Opernhaus in dieser Wiederaufnahme hatte. Marcelo ALVAREZ, den ich bisher erst einmal live als „Faust“ in München erlebte, ist seinen Weg konsequent weitergegangen. Endlich wieder ein Tenor, der keine Mätzchen macht, der technisch ohne Fehl und Tadel ist, über Schmelz und Metall verfügt, auf Linie singt, betörende Piani genauso wie bombensichere Höhen präsentiert, eine hervorragende Diktion besitzt und auch weiß, was Diminuendi sind, Gefühl ausdrücken kann und sich erst noch völlig natürlich bewegt! Herz, was begehrst du mehr? Verdi-Puristen mögen vielleicht einige Schluchzer bemängeln; mich stören sie in keiner Weise.

Störend an der Vorstellung empfand ich allenfalls, daß ihm mit Roberto SERVILE nur ein bestenfalls mässiger Renato zur Seite stand. Die Stimme ist brüchig, langweilig, ohne Farben - und die opernhaften, chargierenden Bewegungen konnten mich für ihn auch nicht erwärmen. Entgegen allen Erwartungen gefiel mir Michèle CRIDER gut, auch wenn sie bisweilen sehr schrill ist. Aber die Piani sind sehr schön und berührend. Nach der 2. Szene des 2. Aktes (Szene am Galgenhügel) stand auf alle Fälle das Publikum Kopf. Zwischen Riccardo und Amelia stimmte an diesem Abend alles.

Sehr gut war auch Sen GUO als Oscar, auch wenn sie leider textunverständlich blieb. Aber ihr heller, leichter Sopran war der Aufgabe bestens gewachsen und auch darstellerisch blieben keine Wünsche offen. Die Ulrica von Stefania KALUZA konnte mich nicht gänzlich überzeugen. Auch wenn sie über ein schönes Material und über eine gute Bruststimme verfügt, so fehlt mir für diese Rolle doch das Volumen, vor allem im tiefen Register. Dies führte dazu, daß das Orchester sie manchmal gar zudeckte, was aber nicht am Dirigenten lag.

Der Chor erledigte seine Aufgabe souverän, die kleineren Rollen waren adäquat besetzt, auch wenn ich persönlich mit Peter KALMAN (nicht nur als Silvano) herzlich wenig anfangen kann.

Das Orchester unter Stefano RANZANI war wach und präsent, und auch wenn die Lesart nicht gerade eine Offenbarung war, so war es doch ein traditionell-italienischer Verdi-Abend mit flottem Tempo und ohne Langeweile.

Man kann nur hoffen, daß Alexander Pereira Marcelo Alvarez vermehrt nach Zürich holt! Chantal Steiner