Nach
längerer Abwesenheit vom Spielplan gelangte Gounods „Faust“ zur Wiederaufnahme.
Kaum zu glauben, daß die Inszenierung von Götz FRIEDRICH 1997 noch Wellen
warf, weil in der Eingangsszene ein Fax auf der Bühne stand und Marguerite
als Putzfrau auftritt.
Mit
sehr viel Liebe zum Detail wurde diese Wiederaufnahme von Claudia BLERSCH
einstudiert, und man muß ihr wirklich ein Kränzchen winden: Die Massenszenen
z.B. waren hervorragend ausgearbeitet, und die ganze Inszenierung wirkte
frisch und lebendig. Friedrich inszenierte den „Faust“ sozusagen als modernes
Märchen, mit sehr viel bissiger, aber dezenter Ironie. Das Bühnenbild
ist ästhetisch, mit der Drehbühne wird ein fließender Szenenwechsel erlaubt.
Die Personenführung ist stringent und durchdacht, was zu berührenden Augenblicken
führt.
Unter
dem Dirigat von Patrick FOURNILLIER waren – bis auf Oliver WIDMER als
Valentin – lauter Sänger am Werk, die in dieser Produktion noch nicht
aufgetreten sind. Für Elena MOSUC (Marguerite) und Jonas KAUFMANN (Faust)
waren dies gar Rollendebüts.
Fournilliers
Dirigat war mir öfters etwas gar laut, aber den französisch schwungvollen
Klang konnte man sehr gut ausmachen. Zügig trieb er das ORCHESTER voran,
was zwar bei einigen Szenen mit dem wieder gut disponierten CHOR DER ZÜRCHER
OPER zu Wacklern führte, die Spannung aber gut aufbaute. Den lyrischen
Passagen ließ er genug Raum zum Atmen, so daß diese zum Teil sehr berückend
ausfielen. In der Gesamtheit eine mehr als nur annehmbare Leistung.
Carlo
COLOMBARA verfügt über eine satte, gute geführte, dunkle Baßstimme, die
leider für mich meist Schöngesang und wenig berührende Momente vermittelt.
Der Mephistophélès schien ihm aber viel Spaß zu bereiten, und ich halte
diese Rolle für seine bisher beste, auch wenn mir das Dämonische etwas
fehlte. Er verkörpert einen schön anzusehenden, distinguierten, ironischen
Bonvivant, der auch das Schmeichelnde, Sinnliche vermitteln konnte.
Über
den Faust von Jonas Kaufmann kann ich nur ins Schwärmen kommen! Sein Tamino
am Anfang seiner „Zürcher Karriere“ ließ mich schon aufhorchen; zwischenzeitlich
allerdings beschlichen mich Befürchtungen hinsichtlich der Entwicklung
seiner Stimme. Im Frühjahr hinterließ er mir jedoch als Florestan auch
stimmlich einen hervorragenden Eindruck und zerstreute meine Bedenken
weitestgehend. Der Faust bestätigte diese Einschätzung nachhaltig. Endlich
ein Tenor, der es auch wagt, piano zu singen, die Stimme zurückzunehmen,
der aber auch im Forte alles ausspielen kann. Gegenüber einem Giuseppe
Sabbatini oder gar Alfredo Kraus gefällt mir diese Art, den Faust zu singen,
um einiges besser, da die Stimme mehr Körper besitzt. Die beiden vorher
genannten Sänger verfüg(t)en für mich über eine zu weiße Stimme, was mich
bei aller technischen Perfektion immer etwas störte. Kaufmann besitzt
einen baritonalen, kernigen, aber eben auch lyrischen Tenor, der sämtliche
Schattierungen zulässt. Zudem sieht er gut aus und bringt auch darstellerisch
alles mit, was man sich nur wünschen kann. „Salut, demeure chaste et pure“
habe ich selten so berührend gesungen gehört!
Auch
Elena Mosucs Interpretation der Marguerite war grandios. Ihre Stimme deckt
ebenfalls das ganze Spektrum ab: glockenhelle, technisch perfekte Koloraturen,
weiche, betörende, lyrische Farben und die nötige Durchsetzungskraft in
den dramatischen Passagen. Sie vermittelt das unbescholtene junge Mädchen,
das sich Hals über Kopf verliebt, genau so glaubhaft wie die verzweifelte
junge Frau. Eine eindrückliche Leistung dieser Sängerin, die bisher vor
allem im Belcanto-Fach zuhause war. Oliver Widmers Leistung als Valentin
war nicht so zufrieden stellend wie die seiner Kollegen. Solange Widmer
seine Stimme strömen läßt, vermag sie mich durchaus für ihn einzunehmen.
Leider forciert er aber zu häufig, was zu einem unschönen Vibrato und
zu einem „Knödeln“ führt.
Für
die Rolle des Siébel war Judith Schmid vorgesehen. Leider erkrankte sie
so kurzfristig, dass „nur“ noch Liliana NIKITEANU einspringen konnte,
die vom Blatt sang, während Claudia Blersch die Partie mimte. Allerdings
war es in meinen Augen eine ihrer besseren Leistungen in der letzten Zeit.
Die Stimme strömte in Wohlklang und Wärme und es war ein Vergnügen, ihr
zuzusehen, wie sie den Part gestaltete.
Katharina
PEETZ als Marthe kam nicht an die Darstellung von Nadine Asher in der
Premierenserie heran, vermochte der Rolle nicht wirklich Konturen zu geben.
Auch stimmlich empfinde ich sie im französischen Fach nicht ganz an der
richtigen Stelle.
Aber
alles in allem ein sehr vergnüglicher, berührender, emotionaler Nachmittag
mit herausragenden Sängerpersönlichkeiten. Das Publikum bedankte sich
mit dem entsprechenden Jubel und Applaus. Chantal Steiner
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