Die
mit Spannung erwartete Premiere des „Fliegenden Holländer“ unter Christoph
VON DOHNÁNYI und in der Regie von David POUNTNEY erzielte nur mäßige Begeisterung.
Das Inszenierungs-Team wurde gar ausgebuht, ohne daß sich Gegenstimmen
geregt hätten!
David
Pountney zog die beiden Künstlerinnen Jane und Louise WILSON bei, die
sich mit ihren Video-Installationen international einen bedeutenden Namen
gemacht haben, für die jedoch der „Fliegende Holländer“ in Zürich ihre
erste Opernarbeit war. Für das Bühnenbild und die Kostüme zeichnete Robert
Innes HOPKINS verantwortlich.
Auf
der Bühne zeigt sich ein großer Kubus, der oben mit einer Art Kommandobrücke
versehen ist. Wieder einmal hat sich das Leading-Team allerdings nicht
überlegt, daß solche Bühnenbauten für Zuschauer im 2. Rang nicht geeignet
sind, da man z.T. nur kopflose Menschen zu sehen bekommt. Auch war von
meinem Platz bisweilen nicht auszumachen, was genau die Videoprojektionen
aufzeigten.
Gemäß
Programmheft zeigt die für die Zürcher Inszenierung adaptierte Video-Installation
„Star City“ Aufnahmen aus einem ehemaligen sowjetischen Raumfahrtzentrum.
Die beiden Künstlerinnen zeigen ein in Auflösung begriffenes Vorzeige-Objekt
der sowjetischen Raumfahrt. Verlassene Büros schienen für Pountney die
richtige Atmosphäre für die Verlassenheit und Trostlosigkeit des „Holländers“
zu verkörpern… Für mich ging das Konzept jedoch nicht auf – wohl nicht
nur, weil ich nicht alle Bilder entschlüsseln konnte. Ich konnte in Pountneys
Arbeit keine Deutung, keine Personenführung (die sonst seine Stärke ist),
keinen Sinn finden. Am Schluß stand mir ein großes Fragezeichen ins Gesicht
geschrieben… und nicht nur mir. Sicher eine der schlechtesten Pountney-Inszenierungen,
die ich bisher gesehen habe!
Musikalisch
wurde das Ganze hingegen den Ansprüchen weitest gehend gerecht, wenn es
auch nicht überwältigend war. Mit von Dohnányi habe ich persönlich stets
Mühe; ich empfinde seine Deutungen zwar als interessant, das ORCHESTER
spielt (meist) gut; allerdings ist mir der Lautstärkepegel vielfach zu
hoch und vor allen Dingen berührt mich die Interpretation nie, sie ist
für mich zu steril, zu analytisch, zu kalt. Dies war auch an diesem Abend
so. Einige Wackler (in der Ouvertüre musste man schon befürchten, daß
das Ganze auseinander fallen würde) im sonst sehr schön spielenden Orchester
werden in den nächsten Vorstellungen sicherlich wegfallen, dennoch gäbe
es da noch einiges zu verfeinern.
Eglis
SILINS in der Titelpartie sang seinen Part ohne jegliche Mühe, allerdings
besaß er für mich in keiner seiner bisherigen Rollen genügend Charisma
und Ausstrahlung. Er wirkt auf mich fad und langweilig. Wie irgendjemand
vor diesem Holländer Angst haben oder ihn gespenstisch finden soll, ist
mir schleierhaft. Verlieben könnte ich mich auch nicht in ihn, aber da
sind ja erwiesenermassen die Geschmäcker verschieden. Daß er darstellerisch
blaß wirkte, lag nicht nur an der Inszenierung. Seine gut geführte Baritonstimme,
seine gute Diktion, schöne Tiefe und auch meist leicht erreichte Höhe
vermögen jedoch nicht darüber hinwegzutäuschen, daß seine Stimme nicht
über eine übermässig reiche Palette an Farben verfügt.
Eva
JOHANSSON bekam – für mich unberechtigte – Buhs. Sicherlich ist ihre Stimme
Geschmackssache und für mein Empfinden bisweilen sehr schrill. Auch ihre
Darstellung der Senta als burschikosen Teenager fand ich fragwürdig. Allerdings
hat auch sie ihre Partie mehr als nur anständig zu Ende gesungen und keinerlei
Mühe bekundet. Daß sie bisweilen auf die Stimme drücken musste, lag vorwiegend
am Dirigat, das durch seine zeitweilige Mächtigkeit den Sängern das Letzte
abverlangte.
Matti
SALMINEN als Daland vermochte mich nicht so zu überzeugen wie sonst; und
ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren, daß er sich in der Produktion
nicht vollends glücklich fühlte. Aber Salminen ist trotz allem ein Garant
für eine saubere, eindrückliche sängerische Leistung.
Die
kleineren Rollen (Christoph STREHL als Steuermann, Rudolf SCHASCHING als
Erik – der seiner Rolle als einziger wirklich Konturen zu geben vermochte
– und Irène FRIEDLI als Mary) entsprachen dem gewohnt guten Standard,
den das Zürcher Opernhaus in den Premieren bei der Besetzung der Nebenrollen
aufweist, auch wenn Christoph Strehl mit seinem lyrischen Tenor hier etwas
über seine Grenzen hinaus gehen mußte.
Pountney
hat sich in meinen Augen zu sehr auf die Video-Projektionen konzentriert
oder auf deren Wirkung verlassen. Daneben ging die Personenführung und
-deutung fast vollständig verloren. Das ewige Verschieben der Kubuswände
ging mit der Zeit auf die Nerven. Die minutenlangen Großaufnahmen von
Silins waren am Anfang interessant, versprühten dann aber auch nur Langweile,
denn viel Ausdruck konnte darin nicht ausgemacht werden (was durchaus
von Pountney gewollt sein konnte).
Die
Begegnungsszene Holländer/Senta wird verscherzt. Hier ist einzig die Videoprojektion
der beiden Gesichter, die sich auf zwei Kubuswänden aneinander vorbei
bewegen und dabei quasi ineinander- und dann wieder auseinander fliessen,
bestechend. Zwei Seelen, die sich doch nicht wirklich treffen. Aber warum
schauen sie sich auch sonst nie an, warum muß der Holländer während des
Duetts zur Tür hinaus gehen? Und muß man die rauen Sitten der Seeleute
wirklich mit Vergewaltigungsszenen illustrieren!?!? Ist das nicht etwas
gar billig? Was sollen die Mädchen, die alle im fünfziger Jahre-Look und
blonden Perücken die Männer anmachen? (Gemäß einer Bekannten könnte das
eine Reminiszenz an den Film „Das Dorf der Verdammten“ sein. Nur – wenn
man den Film nicht kennt, ist das ein bisschen schwierig nachzuvollziehen).
Fazit:
Eine sicherlich nicht billige Produktion, die jedoch wohl schon bald in
der Mottenkiste verstauben wird. Viele Premierenbesucher dachten mit Wehmut
an die letzte „Holländer“-Inszenierung von Berghaus! Wer hätte das je
gedacht!?! Chantal Steiner
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