Götter,
Halbgötter, Helden, Riesen, Zwerge und Rheintöchter - viele Gestalten
der deutschen Mythologie fanden einen Platz im Werk Richard Wagners und
mit ihnen ihre zahlreichen Beziehungen bzw. -krisen.
Robert
WILSON inszeniert den neuen Zürcher "Ring". Er zeigt mit seiner Version
vom Vorabend des Mammutwerkes eine interessante Sichtweise, die nur einen
Nachteil hat: auf Dauer könnte ich die stilisierten, genau abgezirkelten
Bewegungen nicht ertragen. Es ist keine Inszenierung für Leute, die häufiger
für bestimmte Werke ins Opernhaus gehen. Eine Regie für die moderne Zeit
- schnellebig, recycelbar, aber auch reizvoll.
Es
läßt sich viel in dieses "Rheingold" hineininterpretieren, und somit bietet
sich viel Diskussionsstoff. Ist die Beziehungslosigkeit zwischen den Göttern
Vorgriff auf den bevorstehenden Untergang oder nur typisch Wilson? Feststeht,
daß diese Form der Personenführung zum Markenzeichen des Regisseurs gehört.
Was also ist spezifisch für gerade dieses Werk?
Ganz
sicher die Ehrenrettung Loges. (Im Programmheft durch einen Artikel von
Wieland Wagner untermauert.) Wilson brachte mit Francisco ARAIZA einen
omnipräsenten Darsteller auf die Bühne, der dieses Konzept in jeder Form
rechtfertigt. Auch stimmlich gelang dem mexikanischen Tenor ein großer,
persönlicher Erfolg. Die Stimme zeigte in allen Lagen das typische Strahlen
und unterstützte gepaart mit einer vorzüglichen Diktion, die von der Regie
gesetzten Akzente. Im Gegensatz zu den anderen Göttern, denen eine gewisse
Weltfremdheit innewohnt, besitzt Loge menschliche Züge. Er ist mit allen
menschlichen Stärken, aber auch deren Schwächen ausgestattet.
Ebenbürtig
waren diesem intelligenten und spannenden Porträt vor allem die Verkörperungen
von Fricka und Donner. Cornelia KALLISCH besitzt eine kraftvolle Stimme
mit warmen Unterton. Sie zeigt in der Darstellung weniger die zickige
Gattin Wotans, sondern mehr das Bild einer Ehefrau, die bereits viel erlebt
hat, und ihrem Mann schon aus diesem Grund mißtraut. Cheyne DAVIDSON donnert
rollengerecht, ohne zu scheppern. Die stetige Opposition des Gottes bietet
einen spannenden Gegenpol zu Loge, was durch die musikalischen und gestischen
Unterschiede gefördert wird.
Margaret
CHALKER blieb als Freia leider zu unauffällig. Etwas mehr Selbstbehauptung
und stimmliche Stärke hätten not getan. Froh dagegen hätte in der Verkörperung
durch Miroslav CHRISTOFF mit einer weniger plärrenden Stimme mehr erreicht.
Er rechtfertigte seine Besetzung ebensowenig wie Rolf HAUNSTEIN die seine
als Alberich.
Dieser
Sänger ist halbnackt nicht nur eine höchst unästhetische Erscheinung.
Seine stimmlichen Möglichkeiten sind begrenzt. Der Fluch verpufft zu einem
lächerlichen Versuch, jemanden, der keine Angst kennt, mit minimalsten
Mittel einzuschüchtern. Saft- und kraftlos!
Viel
beeindruckender zeigt sich da Volker VOGEL als Mime, der in den wenigen
Augenblicken, die ihm zur Verfügung standen, ein eindringliches Bild von
einem unterdrückten Wesen zeichnete.
Jukka
RASILAINEN muß noch ein wenig an seinem Wotan arbeiten, ehe er großen
Rollernvorgängern ebenbürtig wird. Daß dieser Weg nicht mehr weit ist,
zeigte er musikalisch in Nibelheim. Seine Ausstrahlung machte bereits
die vielen Abenteuer des Gottes nachvollziehbar.
Für
Fasolt (Andreas MACCO), aber besonders für Fafner (Pavel DANILUK) sind
noch mehr Schritte zu einer stimmlich ausgereiften Leistung nötig. Ihre
Interpretation klang über weite Strecken noch zu dünn. Beeindruckend die
Erda von Ursula FERRI und die Homogenität der Rheintöchter (Elisabeth
MAGNUSON, Giedré POVILAITYTÈ, Iréne FRIEDLI).
Ähnliches
hätte man sich auch vom ORCHESTER DER OPER ZÜRICH unter der Leitung von
Franz WELSER-MÖST gewünscht, doch Wagner scheint nicht die Sache dieses
Klangkörpers zu sein. Wirklich schade, denn bei der Größe des Hauses wäre
wenig nötig, um den satten Klang der Musik und deren Schönheit dem Publikum
zu präsentieren. Weniger Geschepper beim Blech und kein Ächzen bei den
Streichern bitte!
Mein
ganz persönliches Fazit ist, daß Robert Wilsons Arbeit zum großen Teil
aufgrund der kompetenten Besetzung funktionierte, die mit ihrem musikalischen
Gespür sogar die orchestralen Mißgriffe im Graben lindern konnten. AHS
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