Nach
zwei ganz unterschiedlich, aber beide Male interessant inszenierten Abenden
folgte für mich der Kulturschock am dritten.
Die
"Trovatore"-Inszenierung von Daniel SCHMID am Zürcher Opernhaus ist mit
Abstand der größte Regiemüll, den man mir bisher auf einer Opernbühne
vorgesetzt hat! Es passiert reinweg gar nichts.
Die
Sängeraktionen bestehen zu 60% aus Gesang an der Rampe oder sonstwo in
Positur stehend. Auf den Hintergrund werden unterschiedlichste Bilder
projiziert - vom mittelalterlichen Schloßgarten über eine Altkleidersammlung
(Achtung, Zigeuner!) bis hin zum futuristischen Innern eines Raumschiffs.
Luna erklärt seinen Mannen "Lenora e mia", was Ferrando nickend bestätigt.
Manrico steht während der Stretta auf einem an einen Billardtisch erinnernden
Podest. Der Soldatenchor wird zuvor zwecks Erstürmung von Castellor mittels
Bühnenmaschinerie auf- und abgefahren...
Das
Schlimmste neben dieser sinnlosen Zusammenwürfelung von Dingen, die man
alle schon woanders gesehen hat, ist das völlige Fehlen einer Personenregie.
Es gibt, so zumindest mein Eindruck, keinerlei Beziehungen zwischen den
handelnden Personen, es sei denn, die Sänger definieren diese selbst.
Carlos
CHAUSSON gelang dies trefflich. Er ist zwar der unmilitärischste Ferrando,
den ich bisher erlebt habe, aber der Figur tat ein gewisses Verschwörerimage
ganz gut. Chausson besitzt eine klare weiche Stimme, die auch bei Verdi
keine Kanten zeigt. Meisterhaft gesungen und schön gespielt.
Im
Gegensatz zum tragbaren Outfit für Ferrando hatte man bei den Kostümen
(Florence VON GERKAN) dem Conte di Luna keinen Gefallen getan. Über einer
unkleidsamen Uniform dunkler Farbe durfte Leo NUCCI zwar zu Beginn einen
Mantel tragen, die ihm verpaßte Brille aber rutschte und wirkte zudem
bei dem "dunklen Grafen" irgendwie lächerlich. Trotzdem bot der Bariton
eine homogene Zeichnung seiner Figur. Stimmliche bewies er Routine und
genaue Kenntnis der Partie, indem er dem Affen immer genau dann Zucker
gab, wenn das Publikum es erwartete. Eine läßliche Sünde, so die gesangliche
Darbietung ein sinnliches und trotzdem exakt gesungenes "Il balen" bietet
und das Duett mit Leonora im letzten Akt zu einem dramatischen Feuerwerk
gerät. Kunst kommt von Können.
Über
sängerische Eitelkeit verfügt auch Kristjan JOHANNSSON. Im Gegensatz zum
Konkurrenten besitzt er weder Stimme noch Ausstrahlung. Manrico geriet
zum musikalischen Desaster. Man könnte den Tenor zugute halten, daß er
für erkrankten Neil Shicoff eingesprungen war. Doch selbst nach Abzug
des Einspringerbonus war das, was Johannsson ablieferte, eine Ohrenpein
erster Güte.
Schade,
denn es hätte mit einem fähigeren Tenor und einer Azucena von Format sicher
einer jener großen Opernabende werden können.
Dafür
stand schon allein Michele CRIDER. Die Künstlerin vollbrachte eine Sensationsleistung.
Alles Sehnen alle Zweifel, alle Gefühle Leonoras brachte sie in einer
schmerzhaft schönen Interpretation von "D'amo sull'ali rosee" über die
Rampe. Es war ein Genuß, die sich anschließende Cabaletta endlich einmal
aus kundigen Mund zu hören. Überhaupt hatte die Sopranistin einen phantastischen
Abend, der ihren Stern noch heller strahlen ließ als sonst.
Die
Azucena von Marjana LIPOVSEK ging konform mit der Inszenierung. Uninteressant,
stimmlich viel zu unausgewogen gelang ihr ein einziger guter Moment in
der Szene mit Luna.
Maurizio
ARENA leitete das ORCHESTER DER OPER ZÜRICH mit dem Drive, der einem mittleren
Kurorchester gut zu Gesicht gestanden hätte. Trotzdem gelang es ihm, die
Damen und Herren zu einer besseren Leistung zu animieren als an anderen
Abenden. CHOR und ZUSATZCHOR DES OPERNHAUS ZÜRICH entledigten sich ihren
Aufgaben mit anzuerkennender Leistung.
Alles
in allem gewann die musikalische Seite die Oberhand, aber zu meinem großen
Schrecken mußte ich am Schluß erkennen, daß ich mich bei dem Geschehen
auf der Bühne zeitweise fast nach der Arbeit von Hans Neuenfels zuhause
in Berlin gesehnt hätte. (By the way, ich hätte ganz gern wieder einmal
einen anderen Manrico!) AHS
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