Eigentlich
sollte an diesem Nachmittag Thomas Hampson die Titelrolle singen. Er mußte
jedoch absagen, so daß Marcello Giordani angesetzt wurde. Dieser mußte
ebenfalls absagen, und so bekam man Luca LOMBARDI zu hören, worauf man
gerne verzichtet hätte.
Über
Einspringer schreibt man eigentlich nichts Böses, aber die enge Höhe und
die nur angetippten Spitzentöne machten es nicht gerade angenehm, ihm
zuzuhören. Zudem hatte er am meisten unter dem unsensiblen Dirigenten
zu leiden.
Stefania
KALUZA als Charlotte fehlte es an Persönlichkeit. Bis zum Ende des 3.
Aktes sang sie brav, aber nicht aufregend, dann schien ihr leider die
Kraft auszugehen. Martina JANKOVA (Sophie) war niedlich anzuschauen, jedoch
erreichte sie ihre Spitzentöne nur mühsam.
Alfred
MUFF als Albert sang in schlechten Französisch und mit zu grober Stimmführung.
Joszef DENE als Bailli verfügte über beides ebenfalls, hinzu kam noch
der verbrauchte Klang der Stimme.
Der
KINDERCHOR DES OPERNHAUSES ZÜRICH machte seine Sache hingegen gut und
hatte für Charlottes Geschwister darstellerisch sehr begabte Kinder ausgewählt.
Franz
WELSER-MÖST war auch an diesem Nachmittag eine schwere Bürde. Abgesehen
davon, daß ihm offenbar jegliches Gefühl für die Schönheit dieser Musik
fehlt, brachte er die armen Sänger mehr als einmal aus dem Konzept durch
unvermittelte Tempiwechsel.
Besonders
negativ fiel dies am Beginn des 2. Akts auf, wobei er den Aufbau von Werthers
Arie total zerstörte. Zudem schien er immer dann, wenn ein Sänger Schwierigkeiten
hatte, sich gegen das Orchester durchzusetzen, noch besonders draufzuhauen.
Das Orchester war auch diesmal nicht ohne Fehler.
Eigentlich
steht für mich immer die Musik im Vordergrund, doch diesmal konnte mich
die szenische Seite tatsächlich fast über die musikalischen Mängel hinwegtrösten.
Marco
Arturo MARELLI (wie immer sein eigener Bühnenbildner) hat eine Inszenierung
geschaffen, die durch ihre Intelligenz und ihre Schönheit gleichermaßen
beeindruckt. Die Bühne ist naturalistisch gehalten, nur vorne gibt es
ein Stück, welches Werthers Zimmer symbolisiert, und wohin er sich auch
immer bei seinen Ausbrüchen zurückzieht.
Marelli
ist ein Meister der Kleinigkeiten. Wenn es zu Beginn des 3. Aktes zunächst
eine Schneelandschaft gibt, und diese Schneelandschaft sich dann in Charlottes
Salon wandelt, sagt das mehr über den Zustand ihrer Ehe aus als langwierige
Erklärungen. Werther zelebriert seinen Selbstmord förmlich (endlich einmal
eine überzeugende Umsetzung des Vorspiels zum letzten Akt), und am Ende
sieht man Charlotte noch einen Schlußstrich unter ihre Ehe ziehen.
Als
vorbildlich ist auch die Lichtgestaltung (Robertus CREMER) zu bezeichnen.
Da werden Schatten gegen Abend tatsächlich länger, da sind Sonnenuntergänge
zu sehen, die auch die Bühne in ein entsprechendes Licht tauchen, da glitzert
Schnee im Licht der Sterne...
Um
das Glück für die Augen vollkommen zu machen, hat Dagmar NIEFIND-MARELLI
auch noch kleidsame Kostüme entworfen (daß Werthers Kostüm nicht saß,
dürfte aufgrund der obigen Umstände nicht ihr anzulasten sein, wie die
Photos der Premierenbesetzung zeigen). MK
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